Sonntag, 10. April 2016

Auf dem Snowboard in Davos

Nach langem Internetsuchen und Katalogenwälzen entschieden wir uns dafür unser Winterurlaub den Frosch-Reisen anvertrauen und nach Davos Skifahren zu gehen. Davos, das ist ja in der Schweiz, da ist es doch so teuer, schrillten sämtliche Alarmglocken, aber der Reisepreis war OK, uns wurde versprochen, dass wir Pistenbrote beim Frühstück uns schmieren dürfen und ein Mehrgänge-Menü beim Abendessen war auch noch inklusive. Beim Vorbereiten habe ich verzweifelt eine passende Skihose gesucht, der durchschnittliche Ski- und Snowboardfahrer scheint andere Masse zu haben, als ich, aber dann bin ich fündig geworden und habe in einem Anfall von Übermut sogar ein Snowboardkurs gebucht, obwohl ich noch nie in meinem Leben auf einem Snowboard gestanden bin. „Der Mensch hat zwei Füße, also braucht er zwei Bretter“ meinte eine Freundin zu dieser Entscheidung.

Ich fuhr mit dem Zug durch schneelose Deutschland und schneelose Schweiz, bis ich in Lanquart ankam. Von dort ging es dann mit der Rhätischen Bahn bergauf, bis ich dann in Davos Dorf angekommen bin. Davos ist die höchstgelegene Stadt Europas mit 1560 Metern über der Meereshöhe und da ist Schnee garantiert. Wir stellen unsere Sachen im Hotel Real ab und spazieren durch das Ort, das sehr langgezogen ist.


Typisches Geschäft in Davos

Davos ist in mehreren Kontexten bekannt, der deutsche Literaturfreund kennt den Zauberberg von Thomas Mann, der englische hat vielleicht die Geschichten von Arthur Conan Doyle über seine Abfahrten in Davos gelesen. Der Politiker oder Nachrichtenjunkie kennt das Weltwirtschaftsforum in Februar, wenn die Politiker und Firmenlenker aus der ganzen Welt sich in Davos versammeln und Journalisten in vergammelten Hotels bis zu 600 EUR pro Nacht zahlen, nur um dazugehören zu können. Der Wintersportzuschauer kennt Davos Nordic oder Spengler Cup, das älteste internationale Eishockey Tournier der Welt.


Hotel Intercontinental, in dem viele Teilnehmer des WWF absteigen

Und der Wintersportler, der liest nicht über Davos oder schaut es sich im Fernsehen an, sondern packt sein Wintersportzeug und fährt direkt dorthin. Es gibt dutzende von Skilifts und Bergbahnen, die zum Beispiel am Jakobshorn bis auf 2650 Höhenmetern hinaufgehen. Die Parsenn-Bahn fängt gleich in der Stadtmitte an und die Abfahrt endet unmittelbar neben dem Real-Hotel.

Als blutiger Anfänger musste ich mein Snowboard, Schuhe und Helm (wichtig, hätte ich keinen, würde ich hier nicht mehr so locker schreiben) im Wintersportladen ausleihen und meine ersten Abfahrten am Babylift Bolgen unterhalb von Jakobshorn unternehmen.

Meine Freundin, die seit Kinderalter auf den Abfahrtsskiern steht, kam sämtliche schwarze Pisten heil runter und meinte, dass hier ein ganz anderes Skifahren, als in den bayerischen Alpen ist, einerseits ist die Schneedecke komplett, es ist viel glatter, andererseits sind viele Pisten Waldwege, die für für die Leute mit Höhenangst nur schwer zu bewältigen sind, da sie immer am Wegrand in den steilen Abhang blicken müssen. Auch wurde es öfters neblig, so dass man von einem Orientierungsstock zum nächsten sich runterhangeln musste.

Noch ein Tipp für Anfänger, keine Wollsocken im Skischuh, lieber Kompressionssocken oder spezielle Skisocken, die Wasserblasen sieht man bei mir bis heute noch und der letzte Snowboardtag musste wegen Schmerzen ausfallen.

Zum Langlauf steigt man in den Zug und fährt nach Klosters. Da gibt es sehr schöne Loipen, die leicht ansteigend tief ins Bergtal führen. Nach neun Kilometern, kehrt man dann um, und jetzt rächt es sich, dass in Estland Skilanglauf zwar Schulsport war, aber es dort keine Berge gab, so dass die Abfahrt mit den Langlaufskiern nicht geübt werden konnte. Deswegen habe ich mich in die Spur reingestellt, tief in die Hocke gegangen und gehofft, dass es mich nicht rausschmeisst. Aus dem Hoffen ist dann Beten geworden, als Holzpflöcke entlang der Strecke auftauchten, so dass wenn man hinfiel, man sich durchaus in den Pflöcken verfangen konnte. Mit zitternden Händen kam ich doch noch nie so schnell wie in meinem Leben heil den Berg runter, Frau Merkel hatte nicht so viel Glück und zog sie wohl bei einer ähnlichen Aktion ein Beckenbodenbruch zu. Wenn man zurück nach Davon fährt, kann man in Davos-Wolfgang aussteigen und von dort in die Loipe nach Davos steigen. Aber Vorsicht, wenn man hier den Berg runterfährt, hört die Loipe plötzlich auf und man muss schnell in Pflug gehen, um über die Kurve zu kommen, nichts für Anfänger.

Natürlich kann man auch andere Sportarten als Skifahren ausüben. Wir sind mit Schneeschuhen den Berg hochgestiefelt, um ein halbgefrorenes Wasserfall anzuschauen. Für normale Spaziergänger ist die Route gesperrt und selbst mit Tourenskiiern wäre der Aufstieg schwierig, da der Weg recht kurvig ist und man nicht viel Platz hat. Trotzdem mag ich Skitouren lieber, aber das ist dann Geschmacksache. Man kann auch mit Schlitten den Rinnerhorn runterfahren, das habe ich mich nicht getraut, die Geschwindigkeit ist hoch, die Verletzungsgefahr auch.

Das Publikum in Davos ist recht bunt, viele Amerikaner und Engländer, früher waren wohl viele Russen Gäste, doch seitdem schweizer Franken sich zum Rubel erheblich verteuert hat, hört man die russische Sprache viel seltener. Viele Familien mit kleinen Kindern, die kleinen Pimpfe schauen nicht rum und flitzen den Berg herunter, dass man aufpassen muss, dass man von ihnen nicht überfahren wird. Mittags geht man dann auf eine Hütte entweder im Tal oder auf dem Gipfel und zahlt 16 EUR für einen Kaiserschmarren oder 6-7 EUR für einen Apfelwein.

Von Sport zu Politik. Jedes Jahr wird in Davos ein British-Swiss Parlamentrace veranstaltet, wo die schweizer und britische Parlamentarier ein Abfahrtsrennen veranstalten. Natürlich gewinnen die Schweizer, aber die Briten sind zäh. Ansonsten taucht Davos in Nachrichten auf wenn die Weltelite sich zu dem Weltwirtschaftsforum versammeln. Wer jedoch ein riesiges Konferenzzenter erwartet, wird enttäuscht sein, die Veranstaltungen sind quer über die Stadt verteilt. Oben in den Bergen in weissen Zelten liegen Scharfschützen, Zugänge zu teueren Hotels sind gesperrt, am besten man verlässt Davos für diese Woche. Dafür können die Hotelmitarbeiter erzählen, wen sie so alles gesehen haben, den amerikanischen Aussenminister etwa, der im Hotel Derby abgestiegen war, wo sonst die Singles von Frosch übernachten.

Gerade findet in München im Literaturhaus eine Ausstellung zum Roman Zauberberg von Thomas Mann statt, der in Davos spielt. Thomas Mann selbst war einmal für drei Wochen in Davos, als er seine erkrankte Frau Katja besuchte und fand die Umgebung und die Leute im Sanatorium so inspirierend, dass ihm zuerst die Idee zu einer kurzen Novelle kam, die dann zu einem dicken Wälzer, der als Parodie zum Bildungsroman gilt, ausgewachsen war. Bevor Robert Koch entdeckte, dass Tuberkulose eine bakterielle Erkrankung ist und mit Antibiotika zu heilen ist, gab es zwei Schulen in der Tuberkulösemedizin, die eine empfahl Aufenthalt im feuchten Meeresklima, die andere den Aufenthalt im trockenen Bergklima. Beiden gemeinsam war die Überzeugung, dass man mehrere Stunden täglich beschäftigungslos auf dem Balkon liege und die Luft einatmen müsse. Jetzt könnte man wenigstens meditieren, damals lagen die Leute rum und verloren Bezug zur Realität. Die luxuriös ausgebauten Sanatorien verlangten nach Auslastung, also wurden auch gesunde Besucher zu Kranken erklärt, damit sie im Sanatorium bleiben. So geschah es mit Hans Castrop, dem Helden des Romans, der nur seinen Vetter für drei Wochen besuchen will, aber sieben Jahre bleibt, weil eine feuchte Stelle in seiner Lunge diagnostiziert wurde. Also bleibt er im Sanatorium, lernt zwei Mentoren kennen, verliebt sich in eine Russin, die einen holländischen Kaufmann mitbringt (Gerhard Hauptmann hat sich aufgeregt, als er sich in der Figur des Kaufmanns erkannte), der sich mit Schlangengift vergiftet. Während das Leben im Sanatorium stehengeblieben ist und nur die intelligentesten aus der Routine auszubrechen versuchen, ist unten im Tal und noch weiter in Europa der erste Weltkrieg im Anrollen, also verlässt Hans nach sieben Jahren mit unverändertem Gesundheitszustand das Sanatorium, um dann im Krieg verschollen zu gehen.

Dabei hatte Hans noch viel Glück, denn die Behandlungsmethoden waren recht brachial. Um infizierte Lunge zu entlasten, wurden dem Patienten Rippen rausoperiert (50% der Patienten starben schon während der OP), die Lunge wurde kollabiert, damit sie sich erholen kann, usw.

Als Vorbild für den Zauberberg wurde das Schatzalp-Sanatorium genommen, das immer noch steht und zu einem Hotel umfunktioniert wurde, wie die anderen Sanatorien auch.


Die Gerüchte, dass man die Toten mit dem Schlitten runtergefahren hat, entsprechen nicht den Tatsachen

Katja war allerdings im Waldsanatorium untergebracht, es gibt dort ein Zimmer, das so eingerichtet wurde, wie sie es damals vorgefunden hat.

Umgangssprachlich wird es das Thomas-Mann-Zimmer genannt, obwohl Thomas Mann nicht in dem Sanatorium gewohnt hat, sondern in einem Pensionat. Heute wird ein Spazierpfad zu seinen Ehren genannt.

Zum Schluss noch ein Dankeschön an meinen sehr entspannten Snowboardlehrer Jannik, der mir beigebracht hat, wie man trotz fettem Hinteren auf dem Snowboard aufstehen kann.


Skiweihe

Auch vielen Dank an die Tabea, Julia, Christin, Wenzel und den Koch Sascha für die schöne Woche.


Das, liebe Julia, sind Beilagen für typisches schweizer Raclette