Mittwoch, 22. Oktober 2014

Italien in schön

Im Februar in einer warmen finnischen Sauna sitzend, erfuhren wir staunend von den Liparischen Inseln in Italien, nördlich von Sizilien. Allein der Name Stromboli sagte mir etwas, das ist ein Vulkan, ein aktiver dazu, also reichte das schon aus, um die Wanderreise zu buchen. Eine Wanderreise, was ist das schon, alle unsere Reisen hatten Wanderungen inklusive, der einzige Unterschied hier ist, dass wir immer nur in einem Hotel sind, folglich neun Tage = neun Wanderungen. Ausserdem hat man uns in Finnland das Ehepaar, das die Reiseleitung macht, sehr empfohlen.

Wir steigen in das Alitalia-Flugzeug und fliegen erstmal nach Rom. In unseren Koffern liegen haufenweise warme Klamotten, denn in Deutschland ist es kalt und regnerisch und Sizilien ist ja nur 2 1/2 Flugstunden von uns entfernt, da kann es ja nicht viel anders sein, nicht wahr? Schon in Rom beginnen wir alle Klamotten auszuziehen und bleiben nur in T-Shirts, was sich bis zum Ende unserer Reise nicht wesentlich ändert. Von Roms Flughafen bekommen wir nur die Mercedes-Benz Cafeteria mit und steigen schnell ins nächste Flugzeug nach Catania ein. Im Flugzeug in der ersten Klasse sitzen schon einige Klischee-Sizilianer mit Nadelstreifenanzügen und Sonnenbrillen. Wir fliegen über das glattgestrichene Mittelmeer.

Die erste Überraschung erwartet mich beim Anflug nach Sizilien, ich hätte nicht erwartet, dass die Insel so gebirgig ist. Überall nur Bergkämme und Täler, wohin das Auge reicht.

Aber Catania ist in der Nähe des Ätna, dem höchsten Vulkan Europas, der früher oder später ausbrechen und Catania unter seinen Lavaströmen begraben wird. Das kann passieren, während der verehrte Leser diese Zeilen liest. Sämtliche Warnsysteme sind unzuverlässig, denn wenn es ein paar Fehlalarme gibt, die eine großflächige Evakuierung veranlassen, dann glaubt man keinem Alarm mehr, wenn es wirklich losgeht.

Wir steigen in den Bus, der uns nach Milazzo fährt, von dort geht dann das Tragflügelboot nach Lipari. Das ist die Hauptstadt der Liparischen oder Äolischen Inseln, die sich logischerweise auf der Insel Lipari befindet. Aber davor umfahren wir die italienische Stiefelspitze und erhaschen einen Blick auf Calabrien. Dazu habe ich kein Photo, aber immer wenn Calabrien erwähnt wird, kommt mir dieses Video „Destination Calabria“ in den Sinn, das mit unserer Reise zwar nichts zu tun hat, aber immer wieder schön anzuschauen ist.

Wie Wolfgang, unser Reiseleiter, erzählt, gibt es immer wieder Diskussionen, ob eine Brücke zwischen Sizilien und dem Festland gebaut werden soll. Wenn Berlusconi wieder mal an die Macht kommt, wird die Diskussion wieder aufgewärmt, wenn ein Blick in die Staatskasse geworfen wird, kühlt sie wieder ab. Ich schätze, man wird auf einen Ätna-Ausbruch hoffen müssen, und darauf, dass die Lavaströme eine natürliche Brücke bauen werden. Wir kommen in Milazzo an, das Tragflügelboot angeblich russischer Bauart wartet noch geduldig auf uns, obwohl die Abfahrtszeit schon lange überschritten ist, aber Wolfgang telefonierte mit jemandem, der jemanden kennt, dessen Onkel der Verwandte des Kapitäns ist und so schaffen wir es rechtzeitig an Bord.

Jetzt ein paar Worte zu den Liparischen Inseln selbst: Es gibt sieben Inseln - Lipari, Stromboli, Alicudi, Filicudi, Panarea, Vulcano und Salina, die bewohnt sind (insg. ca 14.000 Einwohner) und jede Menge unbewohnter Inselchen. Alle sind vulkanischen Ursprungs, der aktivste Vulkan ist auf Stromboli, aber überall findet man Fumarolen, also Löcher in der Erde aus denen Schwefelrauch ausströmt, selbst im Meer gibt es welche. "Vulkanischen ursprungs" bedeutet auch, dass sie steil aus dem Meer herausragen (ein nicht unwesentliches Detail für die Wanderungen) und recht wenig Bauland bieten. Die Inseln sind schon seit der Steinzeit bekannt und zwar wegen ihres Obsidians, Vulkanglas, das, wenn es splittert, rasiermesserscharfe Brocken erzeugt, die man damals als Pfeilspitzen benutzte, und die heute bei jeder Flugzeugkontrolle durchgewunken werden, obwohl sie potentiell gefährlicher als 9/11-Teppichmesser sind.


Am Wegrand aufgesammeltes Obsidian

"Äolisch" werden die Inseln auch genannt, weil, der griechischen Mythologie nach, hier der Windgott Aeolis gehaust haben soll, der Odysseus einen Sack mit ungünstigen Winden schenkte. Nur der günstige Westwind sollte den Helden bis nach Ithaka in die Arme seiner geliebten Penelope bringen. Doch auch der stärkste Held brauchte mal Schlaf, die doofen Kollegas haben den geheimnisvollen Sack vor lauter Neugierde aufgemacht und die Winde trieben das Schiff wieder zurück zu Aeolis, der sich angesichts solcher Doofheit weigerte, die Winde wieder einzufangen, was die Reise nach Hause entscheidend verlängerte. Die Inseln waren also seit der Antike immer mehr oder weniger von unterschiedlichsten Völkern bevölkert bis der böse osmanische Pirat Khair ad-Din Barbarossa im 16. Jahrhundert alle Bewohner der Inseln verschleppte und versklavte. Doch nachdem die Zeit der Piraten im Mittelmeer vorbei war, stieg die Bevölkerung unaufhörlich, bis sie im 19. Jahrhundert 20.550 erreichte. Dann kam die Weinreblaus, vernichtete die Existenzgrundlage vieler Einwohner, die zwei Weltkriege richteten große Schäden an, deswegen verliessen viele ihre Heimat Richtung Amerika und Australien. 1949 kam aber der berühmte italienische Regisseur Roberto Rossellini auf die Insel Stromboli, brachte Ingrid Bergman mit und drehte mit ihr einen Film, der schon an sich recht skandalös war, aber von der Hintergrundgeschichte noch getoppt wurden, denn Bergman und Rossellini verliebten sich ineinander und Bergman wurde schwanger, dabei waren die beiden schon verheiratet, aber nicht miteinander! Der Film floppte, aber das Interesse an der Insel war geweckt. Es kamen immer mehr und mehr Touristen, momentan wird ihre Zahl mit 200.000 pro Jahr angegeben, also mehr als 10 Mal so viele wie die Gesamtbevölkerung der Inseln! Doch momentan kriselt das Geschäft etwas, die in den Sommermonaten von der Stadthitze flüchtenden Römer und Neapolitaner haben im Internet günstigere Angebote in Südtirol entdeckt und kommen nicht mehr auf die Inseln. Dafür wird die Nachfrage in der Nachsaison immer stärker, mehr und mehr Wandergruppen kommen, um sich bis zu den Gipfeln eins abzuschwitzen. Es gibt ausser etwas Landwirtschaft (Kapern, Wein) kaum eine andere Industrie als die Tourismusindustrie. Aber im Gegensatz zum übrigen Italien sind die Hotels trotzdem klein, denn erstens fehlt es an Platz, zweitens an Infrastruktur und drittens sind die Inseln seit dem Jahr 2000 als UNESCO-Weltnaturerbe eingetragen. Das bedeutet, dass alle Gebäude im äolischen Stil gebaut werden müssen, was Hotelbettenburgen ausschliesst. Die Inseln können sich nicht selbst versorgen, Treibstoff für die Elektrizitätserzeugung und das Frischwasser müssen vom Festland per Schiff geliefert werden.


Kapern ist der Hauptexportartikel von Liparischen Inseln

Tag 0: Wir kommen im Dunkeln an und gehen zum Hotel, das sich ein bisschen ausserhalb der Stadt auf einer Anhöhe befindet. Es hat einen Schwimmingpool, was angesichts der Wasserknappheit schon eine besondere Form der Dekadenz darstellt. Wir essen zu abend und versuchen nach einem langen Tag schnell einzuschlafen. Doch die italienische Nacht ist laut. „Die Grillen zirpen und es duftet nach Heu, wenn wir träumen“ - singt Onkel Jürgen Drews, nur kommt in Italien noch das nichtabstellbare Surren der Klimaanlage dazu. Ich versuche mich mit Ohrstöpseln zu retten, was nur bedingt hilft.

Ein Hinweis zu den Karten. Die Wanderrouten sind aus dem Gedächtnis gezeichnet, der tatsächliche Verlauf jeder Wanderung kann etwas anders gewesen sein.

Tag 1: Zum Eingewöhnen bieten uns unsere Reiseleiter Wolfgang und Idhuna eine Wanderung auf den Monte Guardia an. Wolfgang kommt aus Norddeutschland, sieht mit der weissen Sonnenschutzcreme und eckigen Sonnenbrille wie ein Musiker von Kraftwerk aus, hat aber überhaupt nicht nicht spröde Art für die die Norddeutschen berühmt-berüchtigt sind. Idhunas rollendes R-R verrät sie gleich als Niederländerin, sie ist eigentlich Ornithologin, kann aber mit allen Menschen und Tieren. Beide sprechen fließend Italienisch und kümmern sich um alle Problemchen der Gruppe und beantworten geduldig alle Fragen.

Es gibt immer eine einfache und eine schwere Wanderung zur Auswahl, wir nehmen gleich die schwere.

Zuerst geht es durch die Stadt Lipari selbst, die sich als typisches kleines mediterranes Städtchen präsentiert, mit zwei Häfen, einer Burg und einer belebten Fußgängerzone.

Bei der Apotheke scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.

Während sie bei der Bäckerei scheinbar schon ein paar Monate voraus ist.

Autos gibt es nur wenige, dafür italientypisch viele Mofas und Motorräder auch zum Ausleihen.

Monte Guardia wurde früher für die Ausschau nach Piraten genutzt, daher auch der Name, der Gipfel erhebt sich 450 m über die Stadt.

Wir fangen an zu begreifen, worauf wir uns eingelassen haben. Jede Wanderung fängt ca. um 9-10 Uhr morgens an, das bedeutet, dass wir in der prallen Mittagssonne entweder beim Ansteigen oder auf dem schattenlosen Gipfel sind. Der Weg zum Gipfel geht meist steil geradeaus, alternativ gibt es Treppenstufen, aber kaum Serpentinen. Einkaufsmöglichkeiten unterwegs gibt es kaum, d.h. Proviant und vor allem viel Wasser müssen mitgenommen werden. Wanderstöcke sind empfohlen, man kann auch ohne auskommen, doch der Untergrund ist häufig geröllig, so dass man aufpassen muss. Die Wanderwege sind meistens geräumt, doch manchmal muss der Wanderführer zur Heckenschere greifen und lästige Zweige von stacheligen Brombeersträuchern abschneiden.

Dafür wird man auf dem Gipfel und unterwegs mit fantastischen Ausblicken auf die anderen Inseln belohnt. Auf dem Photo sieht man Vulcano mit der vorgelagerten Halbinsel Vulcanello.

Und auf diesem Photo von rechts nach links Salina, Filicudi und Alicudi.

Und hier blickt man auf dem die Stadt Lipari, die Inseln Panarea und Stromboli. Damit sind wir vollzählig.

Hier sieht man, wie früher das Regenwasser aufgesammelt wurde, die flachen Dächer werden von Mauern umgeben, damit das Regenwasser nicht abfliessen kann. Heute wird das Wasser mit einem Wasserschiff gebracht, ist allerdings von solcher Qualität, dass vom Trinken abgeraten wird, höchstens zum Duschen und zum Zähneputzen kann man es benutzen.

Nach der heißen Wanderung entdecken wir die sizilianische Spezialität "Granita", eine Art Wassereis in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Schmeckt sehr erfrischend, schade, dass es noch nicht bis nach Deutschland vorgedrungen ist.

Zurück in der Stadt besuchen wir die Burg, in der einst die Tochter von Mussolini gefangengehalten wurde und sich in einen kommunistischen Partisanen verliebte. Heute streunen dort viele Katzen herum und es ist ein reichhaltiges archäologisches Museum, das viele Scherben aus vielen Epochen präsentiert, dort beheimatet. Neben der Burg befindet sich der ehemalige Bischofssitz, der dem Apostel Bartholomäus gewidmet ist. Seine sterblichen Überreste sind angeblich an der Küste Liparis angespült worden. Bartholomäus wurde gehäutet, in besonders realistischen Darstellungen trägt er seine eigene Haut in den Händen. Als kinderfreundlichere Heiligenfigur wird er von einem gehäuteten Schaf begleitet. Die Gebeine des Hl. Bartholomäus sind jetzt in Rom, die Hirnschale in Frankfurt.

Im kleinen Hafen steht eine Kirche, die den Seeleuten gewidmet ist. In der Kirche ist eine Krippenlandschaft, die die Hafenpromenade nachahmt. Sehr realistisch und sehr niedlich anzuschauen. Jesus ist in die heutige Fischmarkthalle hineingeboren worden.

Tag 2: Das Wetter ist gut, die Winde günstig, bzw. nicht vorhanden, also beschließen unsere Reiseleiter mit uns einen Ausflug nach Vulcano zu machen. Vom Namen dieser Insel leitet sich tatsächlich die Bezeichnung Vulkan für alle feuerspeienden Berge ab, so wie Geysir in Island der Namensgeber für alle heißen Wassersäulen der Welt ist. In der römischen Mythologie galt die Insel als Schmiede des Vulcanus, des römischen Gottes des Feuers.

Die Hauptattraktion ist natürlich der Namensgeber der Insel, ein Vulkan, der zwar nicht aktiv ist, aber viele Fumarolen hat, deren Schwefelgeruch schon bei der Anfahrt zur Insel unüberriechbar sind. So sieht der Vulkan Fossa vom Hafen aus.

So ganz ungefährlich ist das Spazieren in den Fumarolen nicht, die Dämpfe sind recht aggressiv und können Elektronik beschädigen, Jeans umfärben und Schleimhäute reizen. Deswegen wird der Krater nur zur Hälfte umrundet.

Der Krater ist auf 390 m Höhe, also muss hochgestiegen werden. Man hat einen schönen Blick auf Lipari und Salina.

Oben angekommen sieht man den Krater und die Fumarolen - eine Mondlandschaft mit gelben Schwefelflecken. Es ist zwar lebensgefährlich auf den Kraterboden runterzusteigen, weil sich dort Kohlendioxid und -monoxid sammeln, aber trotzdem haben dort ein paar lebensmüde und liebestolle Wanderer Grüße aus Steinen hinterlassen.

Wir steigen wieder herunter und kommen zum Schlammbad, das aus vulkanischen Mineralien besteht und so furchtbar stinkt, dass es für die Gesundheit super sein muss. Also zieht man sich aus (Vorsicht, der Boden ist heiß, habe mir die Ferse verbrannt) und geht ins Schlammloch. Manche schmieren sich mit dem Schlamm komplett ein und gehen dann in die Sonne, damit es auch schön eintrocknet. Aber man kann auch ins Meer gehen, das Wasser ist zwar kalt, aber auch im Wasser gibt es Fumarolen, die das Meerwasser um sich aufwärmen. Der Strand ist schwarz, aus Vulkanasche.

Wir spazieren nach Vulcanello, die vorgelagerte Halbinsel und werden dort furchtbar von Schnacken zerstochen. Aber damit geht es uns noch erheblich besser als der dem anderen Teil der Gruppe, deren Stiche haben schon Muster auf der Haut gebildet. Auf Vulcanello gibt es einige Villen, die sich in bewachten Gebieten (ital. condominio) befinden und ein Tal der Monster aus erstarrter Lava.


Die Tonköpfe auf den Zäunen sind recht beliebt und können in allen Touristen-Läden gekauft werden


Wenn wir schon beim Italienisch lernen sind, "Torrento" ist ein Wadi, also ein Graben in dem das Regenwasser abfliesst und wo man möglichst nicht parken sollte. Viele Raubkopierer sind jetzt schlauer, und wissen nun, woher der Name ihres beliebtesten Netzwerkdienstes kommt.

Zurück im Hotel zeigt Wolfgang uns den Film „Die Kraken von Stromboli“. Was sich nach einem schlechten Horrorfilm anhört ist eine wissenschaftliche Dokumentation, die zeigt, wie Meeresbiologen nachzuweisen versuchen, dass die Kraken die Vulkaneruptionenen vorhersehen können, sich rechtzeitig vor ins Meer fallenden Lavabrocken zurückziehen und wiederkommen, um die nicht so schlaue erschlagene Beute zu fressen. Aber im Gedächtnis bleibt vor allem die junge blonde Meeresbiologin Natalie, die (so der Sprecher) ihr Herz an die Kraken verloren hat und die Kraken bei ihren Tauchgängen streichelt. Eine völlig verängstigte Krake flüchtet Bein über Kopf (Kraken können das) und landet im Maul einer hungrigen Muräne.

Tag 3: Wir fahren nach Stromboli mit Zwischenstopp in Panarea.

Stromboli ist die bekannteste Insel, natürlich wegen ihrem aktiven Vulkan. Jules Verne hat im Roman „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ seine Helden auf einem Holzfloß auf der Lava schwimmend aus dem Stromboli-Vulkan wieder an die Erdoberfläche aufsteigen lassen. Als natürliches Leuchtfeuer diente der Stromboli Generationen von Seefahrern als Orientierung. Normalerweise eruptiert der Stromboli, er schleudert Gestein aus dem Krater heraus, aber seit einem halben Jahr fliesst nur Lava und ergießt sich ins Meer. Das ist zwar nicht so spektakulär, aber offenbar gefährlicher, denn die schwere Wanderung, die zum Gipfel des Vulkans führen würde, so dass man in den Krater von oben schauen könnte, kann derzeit nicht angeboten werden. Unterwegs kommen wir noch an den unbewohnten Inseln Basiluzzo und den Klippen Spinazzola, Lisca Nera, Lisca Bianca, Dattilo und Bottaro vorbei. Man könnte die Meerengen zwischen den Felsen für Odysseus Skylla und Charybdis halten, aber es gibt keinen Grund unbedingt da durch fahren zu müssen, man kann sie auch bequem umfahren.

Stromboli hat eine fast perfekte konische Form und schon bei der Anfahrt sieht man den aufsteigenden Rauch. Wir wandern auf eine Anhöhe zum Sciara del Fuoco, also zur Feuerrutsche, wo die Lava fliesst. Unterwegs gehen wir an dem Ort Stromboli mit seinen Ortsteilen San Vincenco, Piscità und San Bartolomeo vorbei.

Die knapp 550 Einwohner haben kein leichtes Leben, immer wieder bricht der Vulkan aus und kann metergrosse Steinbrocken auf die Häuser schleudern. Eine Gefahr ist auch ein Tsunami, der sich bei einem Ausbruch bilden kann. Deswegen sind überall im Ort Schilder zu Evakuierungszonen auf Anhöhen aufgestellt.

Im Film "Stromboli" ist die Auswanderung ein großes Thema. Viele Einwohner haben die Insel verlassen, aber einige sind wieder zurückgekehrt, die Heimatgefühle waren wohl stärker.

Wir kommen auf der 290 m hohe Anhöhe an, der weitere Aufstieg ist streng verboten.

Den Lavafluss selbst kann man kaum sehen, aber man kann ihn gut hören. Ausserdem sieht man den Dampf und manchmal rollen glühende Gesteinsbrocken Richtung Wasser und plumpsen mit Zischen in die Gischt. Die ganze Wandergruppe ist fest davon überzeugt, dass dort unter Wasser gerade die Meeresbiologin Natalie ihre Kraken streichelt.

Wir gehen wieder zurück, steigen aufs Schiff und fahren zum Strombolicchio, einem kleinen Felsen im Meer mit einem Leuchtturm.

Dann wird es langsam dunkel und wir nähern uns der Sciara del Fuoco vom Wasser aus. Erst hier hat man die perfekte Sicht auf die Lava, es ist sehr schön und unheimlich. In der Dunkelheit bilden die roten Ströme ein Schriftzeichen eines unbekannten Alphabets auf dem Berg.

Tag 4: Wir fahren wieder nach Panarea, die hippe Insel.

Es gab wohl Zeiten, da kam der internationale Jet-Set nach Panarea, um hier luxuriöse Parties zu feiern. Diese Zeit ist vorbei, doch der frühere Ruhm ist geblieben, also genauso wie in Schwabing. Panarea hat eine Fläche von 3,4km^2 und eine Bevölkerung von knapp 250 Menschen, zum Umrunden der Insel braucht man knapp drei Stunden. Wir gehen bei San Pietro an Land.

In San Pietro gibt es natürlich eine Petrus-Kirche.

Was es dort nicht gibt, sind benzin-betriebene Autos, alle Autos fahren elektrisch, selbst das schnuckelige Polizeiauto.

Wir gewinnen schnell an Höhe und gehen an der Air Panarea vorbei, einer Fluglinie, die aus einem Hubschrauber besteht, der ähnlich einsatzbereit zu sein scheint, wie die Hubschrauber der Bundeswehr.

Man merkt der Küste deutlich an, dass sie aus erstarrter Lava geformt wurde. Es gibt kaum Schatten und es ist sehr heiß.

Der Weg führt an Agaven vorbei. Agaven sind gar keine heimischen Gewächse, sie sind wie Tomaten und Kartoffeln aus Amerika importiert worden, nun aber aus der südlichen Landschaft gar nicht mehr wegzudenken. Die Agaven tragen auch Früchte, die in Italien fico d’india genannt werden, wahrscheinlich noch aus der Zeit als Kolumbus dachte, dass er nach Indien gesegelt ist. Mit den bloßen Händen sollte man die Frucht nicht anfassen, die feinen Stacheln kriegt man aus der Haut kaum wieder weg. Die Frucht selbst schmeckt nach Maracuja und hat ähnlich viele Kerne.


Wenn man hier nicht aufpasst, hat man gleich einen Stachel im Arm

Die Wanderung endet an einer bronzezeitlichen Siedlung, unterhalb ist ein netter Strand.

Abends schauen wir dann den Film "Stromboli, terra di Dio" an, von dem schon mehrmals die Rede war. Die Geschichte ist recht krude, eine litauische Schönheit landet als "displaced person" nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges im italienischen Lager und hat keine andere Wahl als einen Fischer von Stromboli zu heiraten. Erst bei der Ankunft auf Stromboli dämmert es ihr, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war und sie versucht alles, um da wieder wegzukommen. Am Ende flüchtet sie hochschwanger über den Vulkan zum anderen Ende der Insel, wo es angeblich Motorboote gibt. Ob sie es schafft bleibt offen, aber sie glaubt wieder an Gott, und für Italien in den 50ern ist das die Hauptsache.

Tag 5: Der Wanderhöhepunkt der Reise. Wir erklettern den Monte Fossa, mit 965 Höhenmetern den höchsten Berg der Liparischen Inseln.

Salina hat zwei Berge, so dass besonders romantische Naturen sie auch die "Mutterbrüste der Erde" nennen. Beide sind zum Glück bewaldet, so dass der Aufstieg immer schattig ist. Salina steht zum größten Teil unter Naturschutz, deswegen ist es streng verboten sein Hauskänguru mitzubringen.

Die ersten 300 Höhenmeter sind die schwersten, es sind zahllose Stufen zu erklimmen, doch danach geht es in Serpentinen weiter, so dass der Weg weniger steil ist. Nach weiteren 500 Höhenmetern kommen wir auf eine Waldstraße, die auch von Waldarbeitern mit Fahrzeugen benutzt wird, so dass die restlichen 150 Höhenmetern ein Kinderspiel sind.

Der Weg nach unten ist etwas schwieriger, aber dafür hat man einen fantastischen Blick auf die andere "Brust der Erde", den "Monte dei Porri". Am Fusse von "Monte dei Porri" gibt es einige Weinstöcke, aus denen der berühmte "Malvasia" hergestellt wird. Das ist ein süßer Dessertwein, der gekühlt am besten schmeckt. Besondere Gourmets nehmen Sesamkekse und tunken sie in den Malvasia, bevor sie gegessen werden.

Auf dem Rückweg nach Lipari fahren wir an der Westküste von der Insel entlang und entdecken viele Grotten und Klippen. Unser Kapitän steht seinem Landsmann Francesco Schettino, der die Costa Concordia auf die Felsen gesetzt hat, in nichts nach und fährt mit seinem Schiff auch die engsten Passagen einfach durch.


Das Tor ist doch etwas zu eng

Tag 6: Das Tagesprogramm ist fakultativ, man kann sich also einfach ausruhen, oder wieder wandern. Wir entscheiden uns für eine Wanderung von Lipari-Stadt über den Monte Rosa nach Cannetto. Es weht der Scirocco, ein sehr warmer Wüstenwind aus dem Süden, der Sahara-Hitze und manchmal sogar Sandstaub mitbringt und, ähnlich wie der Fön in München, auf die Stimmung wirkt bis hin zu Aggressivität. Aggressionen hatte ich keine, aber es war sehr warm an dem Tag, so dass selbst der kleine Aufstieg recht viel Kraft und Schweiß gekostet hat.

Das besondere an Monte Rosa ist das Kreuz, das man schon von weitem vom Meer aus sehen kann. Jetzt ist es ein LED-Kreuz, das von Solarpanelen gespeist wird, eine der wenigen Anwendungen aus regenerativer Energie auf Lipari. Dabei wäre die Insel eigentlich prädestiniert regenerative Energie zu nutzen, es ist alles da, Sonne, Wind, Geothermie.

Der Weg nach Cannetto führt durch ein ziemliches Gestrüpp. Cannetto ist ein kleines, außerhalb der Saison verschlafenes Städtchen mit vielen halsbandlosen Hunden. Es gibt zwei schöne Strände und Fumarolen im Meer, die man von Monte Rosa aus sehen kann, wenn man sich im Wasser befindet, sieht man sie jedoch nicht mehr. Wir baden an beiden Stränden und fahren mit dem Bus heim.

Tag 7: Wanderung an der Westküste von Lipari.

Der immer noch wehende Scirocco zeigt erste Auswirkungen, nach dem Aufwachen bin ich komplett platt und überlege mir ernsthaft die heutige Wanderung zu schwänzen. Meine Freundin ist dagegen voller Energie und will unbedingt um 8:30 h auf die grosse Wanderung gehen. Ich raffe mich doch noch auf, steige in den Minibus, für große Busse sind die Straßen von Lipari zu eng, der öffentliche Nahverkehr wird mit Minibussen erledigt, und wir fahren nach Quattropani, wo wir recht bald auf die andere Gruppe stoßen, die entsprechend weiter weg angefangen hat.

Der passende Soundtrack für diese Wanderung ist das gute alte italienische Partisanenlied „Bella Ciao“. In sengender Sonne laufen wir durch Gestrüpp in der Hoffnung die nächste Granita-Bar aus der Richtung zu überfallen, aus der sie es am wenigsten erwartet.

An dem Waldbrand waren allerdings nicht wir schuld.

Tag 8: Ausflug nach Filicudi, Sehnsucht nach Alicudi.

Alicudi und Filicudi sind die westlichsten der Liparischen Inseln und es kommen nur wenige Leute dorthin. Während auf Filicudi noch Einheimische wohnen, sind auf Alicudi nur Aussteiger beheimatet. Das behauptet zumindest Wolfgang, der selbst noch nie auf Alicudi war. Es gab mal einen in einer Reisegruppe, der hingefahren sein soll, aber beim Versuch den Gipfel zu besteigen, soll er in Brombeerbüschen hängengeblieben sein, das sollte eine Warnung sein. Deswegen fuhren wir an unserem zweiten freien Tag 2 1/2 Stunden mit der Fähre nach Filicudi und hatten nur einen sehnsuchtsvollen Blick für Alicudi übrig.


Das war nicht unsere Fähre, unsere war etwas größer, aber vom Zustand recht ähnlich

Vom Hafen Filicudis geht es wieder mal steil nach oben zu dem Örtchen Valdichiesa und dann scharf nach rechts auf einem Panoramapfad zu einem Geisterdorf. Dort wohnt angeblich ein deutscher Einsiedler, den wir nicht zu Gesicht bekommen.

Wir bekommen ein Schild zu sehen, dass der weitere Weg sehr schwierig sei und kehren um. Während der Rest der Gruppe eine bronzezeitliche Siedlung auf der Halbinsel Capo Graziano erklimmt, schenken wir uns die Trümmer und gehen baden. Dabei erwischt mich eine Feuerqualle, eine Plage des Mittelmeers, aber es geht glimpflich aus, nur einen Stich im Arm. Tipps, wie mit Rasierschaum einsprühen und mit der Kreditkarte dann die Nesselfäden abschaben, habe ich zum Glück nicht nötig.

Am Hafen gibt es ein paar kleine Lädchen mit erstaunlich guter Alkoholauswahl. Anstatt sich zu betrinken, kaufe ich das Buch „Die Insel hinter dem Mond“ des Schweizer Lyrikers Roland Zoss, der sich zumindest eine zeitlang auf Filicudi niedergelassen hat. Er brauchte 15 Jahre, um aus seiner Ruine eine bewohnbare Bude zu machen, und natürlich ist das Leben jetzt das reinste Vergnügen auf Filicudi. Früher gab es keine asphaltierte Straße zum Dorf, Strom gibt es erst sein 1988 und Regenwasser musste man noch sammeln. Außerdem sind sämtliche Ruinen schon aufgekauft und aufwändig restauriert. Ich glaube das Aussteigen auf Filicudi wäre trotzdem nichts für mich, Ruhnu in der Ostsee wäre mir lieber.

9. Tag: Ostküste von Lipari

Es ist der letzte Wandertag, also wird uns versprochen, dass die heutige Wanderung nicht übermäßig schwer sein wird. Wir fahren mit dem Bus in den Norden, um über die Bimssteinbergwerke im Osten der Insel nach Cannetto zu laufen. Bimsstein ist vulkanischen Ursprungs und so leicht, dass er im Wasser schwimmen kann. Bevor Lipari Weltnaturerbe wurde, wurde der Bimsstein gleich bergeweise abgetragen. Das ist keine sonderlich gesunde Arbeit, der Staub geht in die Lungen, die Lebenserwartung der Arbeiter war nicht hoch. Heute sieht man noch einige Förderbänder und einen weißen angefressenen Berg.

Der letzte zu besteigende Berg unserer Reise heißt Monte Pilato. Er besteht aus Bimsstein und die Kanten sind entsprechend brüchig. Auf dem Weg dorthin pflücke ich eine Menge Früchte der Erdbeerbäumen. Sie schmecken tatsächlich entfernt nach Erdbeeren, haben aber eine etwas rauere Haut.

Wir kommen am Strand von Cannetto an und fallen erstmal in Tiefschlaf. Neun Tage, neun Wanderungen, das ist doch ein recht anstrengender Zeitvertreib, aber wir sind auch selbst schuld, dass wir die freien Tage nicht zur Erholung, sondern zu weiteren Wanderungen genutzt haben. Das letzte Mal Baden im Mittelmeer und mit dem Bus nach Hause ins Hotel, packen.

10. Tag: Das Schiff legt um 6:00 morgens von Lipari ab, danach wieder die Busreise nach Catania und der Ätna verabschiedet sich am Rollfeld von uns.