Donnerstag, 27. Juni 2013

Southside 2013

Es ist wieder Sommer, na ja, es sollte wieder Sommer sein, also same procedure as every year, the Southside is calling! Also packen wir unser Riesenzelt ins Auto, besorgen eine Stiege Bier (für die, die es nicht wissen, Stiege Bier = 24 Dosen) in einer Kühlbox und fahren los. Wir sind wieder auf der Grünen Wiese, die Lästermäuler erzählen uns was von Rentnerbereich, aber trotz einiger noch älteren Exemplare sind wir bereits Rentner, wenn man uns mit dem durchschnittlichen Southside-Besucher vergleicht, dessen Abi-Shirt noch nie gewaschen wurde.

1. Tag

Frank Turner & The Sleeping Souls - Rock mit viel Irish Folk Einfluss, nach viel Guiness durchaus tanzbar

Steven Wilson - die erste Entdeckung des Festivals. Bin schon auf Spiegel auf ihn aufmerksam geworden und wurde nicht enttäuscht. Fünf sehr nerdig aussehende Herren, könnte sein, dass bei dem langhaarigen blonden Bassisten es sich um eine Frau gehandelt hat, die Haare hingen ins Gesicht, spielen höchst komplexes Progressive Rock, für mich hört es sich an wie Tool, aber die älteren Semester werden mich natürlich belehren, dass es sich eher nach Hawkwind (die Band von Lemmy Kilmister bevor Motorhead), King Crimson und anderen Prog-Rockern aus den 70ern anhört, da werde ich mich nicht streiten. Leider ein viel zu kurzer Auftritt.

Triggerfinger - Auf diese Band ist man durch ihren Cover von I follow Rivers von Lykke Li aufmerksam geworden. Auf Youtube sieht man einen älteren Mann, der sitzend auf seiner Gitarre spielt.

Also habe ich mich auf ein eher ruhiges Konzert eingestellt. Auf die Bühne erscheinen drei Herren, einer davon im schwarzen Anzug mit Kravatte ganz nach Tarantino, dass es keinen Mann gibt, dem ein schwarzer Anzug nicht stehen würde. Der Mann verkündet dass diese Show dem am vorigen Wochenende verstorbenem Schauspieler James Gandolfini gewidmet ist und legt mit seiner Les Paul Gitarre richtig los. Rock'n'Roll at its best!

Sehr energiegeladen, rockig, teilweise schön heavy, aber immer melodisch, sehr gut anzuhören und absolut mitreissend. Die zweite Entdeckung des Festivals. Hier ist noch ein eineinhalbstündiger Konzert-Mitschnitt:

The Smashing Pumpkins - Eine DER BANDs der alternativen 90er. Intelligentes Grunge, tolle Optik durch den glatzköpfigen Billy Corgan, den Japaner James Iha und der blonden Bassistin D'arcy Wretzky, Hymnen wie Tonight, Tonight oder 1979, all das erinnert sofort an eigene Jugend, genauso wie die Filme von Kevin Smith. Man vergisst all die Artikel, die Billy Corgan als egozentrisches Arschloch Genie beschreiben.

Daran erinnert man sich recht bald nachdem man Smashing Pumpkins live sieht. Sie legen sich ins Zeug, keine Frage, es ist kein Runtergeschrammele, aber man hat nicht das Gefühl, dass sie das fürs Publikum machen. Es sieht eher nach einem Ego-Trip von Corgan aus, er spielt für sich und sonst für niemanden, keine Interaktion mit dem Publikum, keine Ansage, kein Wert auf Applaus, natürlich keine Zugabe. Wenn das Publikum die Genialität der Musik nicht versteht, dann ist sie selber schuld und nicht würdig.

Es fängt zu regnen, deswegen keine Lust auf Paul Kalkbrenner und wir gehen ins Zelt.

2. Tag

Danko Jones - der erste von vielen Kanadiern auf Southside. Läßt sich vom Publikum feiern, das Publikum liebt ihn auch dafür. Ordentliches Rock'n'Roll, straight, hart, ein working class Hero.

Boysetsfire - die zweiten von vielen Kanadiern auf Southside. Der Sänger warnte gleich, dass er zwar gut findet, wie Danko Jones sich feiern läßt, aber seine Sache ist das nicht. Dafür lieferte die Band einen guten Nachhilfeunterricht in Sachen Emocore. Sehr hart, aber auch melodisch, die Aggresivität steigt schnell auf und will raus. Hier ist ein Konzert von Boysetsfire:

Tame Impala - Die Jungs von Tame Impala sehen so aus, als ob sie all Vietnam verweigert haben. Ein Hauch von Woodstock weht durch Southside. Die Geräte auf der Bühne sind aber viel moderner, als das was Scott McKenzie zur Verfügung stand und das hört man auch.

Vielleicht braucht man auch solche Bands, die die Sounds der 60er und 70er mit den modernen Soundeffekten anreichern und neu interpretieren. Ganz netter Auftritt, hier ist ein Konzert von ihnen:

Tegan & Sara die dritten von vielen Kanadiern auf Southside. Zwei Mädels in schwarz singen Pop, ist allerdings nicht so eingängig, wie z.B. Pop von Boy, meinen Lieblingen vom letzt-jährigem Southside.

Könnten lesbisch sein, erinnern ein bisschen an die Sheakspeare Sisters, aber ohne die Gothik und ganz viel an Cindy Lauper.

Tyler, the Creator - Tylor ist der Anführer von der Odd Future Wolf Gang Kill Them All, kommt aus LA und ist dank diesem Video berühmt geworden:

So wie alle bei Ozzy warten, dass er wieder einer Fledermaus den Kopf abbeisst, so warten alle bei Tylor, dass er wieder eine Kakerlake verschluckt. Auf der Bühne steht ein einsamer MacBook, dann kommen drei Gestalten auf die Bühne und ganz viel Biach, Motherfucker und ähnliches ergiesst sich auf die Zuschauer. Die Beats sind eher ruhig, was die Meute nicht vom Pogo abhält. Ich habe da etwas mehr erwartet, aber ich bin da zu seher von Die Antwoord verwöhnt.

Portishead - Zu Portishead habe ich eine besondere Beziehung, als mein Vater starb, schloss ich mich in meinem Zimmer ein und hörte rund um die Uhr das Album Portishead. Deswegen war ich mir nicht sicher was für Reaktionen die Band live auf mich auslösen würde, aber ich stellte mich schon mal in die zweite Reihe.

Als Beth Gibbons auf die Bühne kam und mit ihrer Weltuntergangsstimme die ersten Strophen in das Mikro sang, war alles wieder da, die Tränen standen mir in den Augen, aber da war ich nicht der einzige, sehr viele Leute in der ersten Reihe haben wohl ähnliches durchlebt und sich mit Portishead bei der Bewältigung ihrer Trauer mit Portishead beholfen.

Die wunderbare Beth steht die meiste Zeit mit dem Rücken zum Publikum, nur beim Singen dreht sie sich zum Mikrofon und singt tieftraurige, todernste Lieder. Hinter ihr huschen verstörende Bilder von den Strassenkämpfen in Spanien und Griechenland zum Song Machine Gun. Für mich der beste Kommentar zu der ganzen Eurokrise, die komplette Hoffnungslosigkeit einer ganzen Generation, die nicht gebraucht wird. Beim letzten Lied klemmt Beth das Mikro ab, rennt von der Bühne und umarmt die Leute in der ersten Reihe.

Bei so viel Gefühl brechen bei mir auch die letzten Barrieren, ich heule nur noch. Und bitte die schöne Unbekannte aus der ersten Reihe, antworte auf meine Email und schicke mir die Aufnahme von dem Konzert.

Rammstein - Nach Portishead will ich eigentlich nur noch ins Zelt, aber da muss ich am Rammstein-Konzert vorbei. Eigentlich überhaupt keine Lust auf die Neue Deutsche Härte, aber wir bleiben dann doch stehen, um Till und seinen Mannen anzuschauen. Es ist ein Musikal und es passiert was unfassbar böses auf der Bühne. Ein Mann wird mit Flammenwerfer angezündet. Der Keyboarder Flake darf zu Bück Dich auf allen vierern rumkriechen, ihm wird die Hose ausgezogen, Till fummelt in seiner Hose rum, zieht seinen Schwanz raus (also nicht den echten) und rammelt erstmal Flake in den Hinteren, danach kommt aus dem Schwanz Pisse raus, sehr viel Pisse, mehrere Liter ergiessen sich auf die Zuschauer und auf den armen Flake. Bei "Ich will" sind alle ach so alternativen, anarchistischen und herrschaftsfreien Festivalbesucher Till hörig, Till dem nitzianischem Übermenschen, der noch so viel von Herz in der linken Brust singen kann, aber eigentlich der über jeglichem politischen Schnickschnack drübersteht. Beim letzten Lied schliesslich singt Till von seinem Dick, der in eine Pussy will und wundert sich where's the problem. Dabei reitet er auf einer gigantischen Kanone, die auf die Zuschaeur literweise weissen Schaum, was wohl Sperma darstellen soll, schleudert. Die Zuschauer sind begeistert vom Übermenschen Till bepisst und besamt zu werden. Mit einer Bürokratenstimme sagt Till schliesslich, dass wir ein fantastisches Publikum waren und wünscht uns eine gute Nacht.

3. Tag

Goldmouth - Morgenstund hat Gold im Mund, also gehen wir als erstes zum Goldmouth, einer deutschen, sehr jungen Band, die aber schon sehr abgeklärt im Still von The Animals abrockt. Fans hat sie auch schon, es werden fleissig Aufkleber verteilt, die niemand haben möchte.


Geheiratet wird auch

The Kyteman Orchestra - Auf der Bühne stehen ca. 20 Menschen, sie spielen unterschiedlichste Instrumente, vorne steht ein komplett bekiffter Dirigent und man spielt etwas, was wohl eine Weiterentwicklung der klassischen Musik darstellen soll.

Manchmal kommen Solisten auf die Bühne, Rapper, Reggae-Sänger, Rapper mit Opernstimme, Rapper mit Soulstimme usw. Keine Ahnung, wo sie alle herkommen, vielleicht ist es eine grosse Kommune mit eigener Hanf-Plantage und Labor für härtere Sachen. Hier ist ein Konzert von ihnen:

Was für Eindrücke sind noch geblieben? Britpop ist endgültig tot, keine Ahnung warum die Bands, die es noch spielen, überhaupt noch einen Plattenvertrag bekommen. Frauen sind immer noch sehr interessiert was man unter dem Schottenrock anhat und finden den Kakerlaken-Kostüm eher eklig. Die beste Band war Portishead, die Neuentdeckungen waren Steven Wilson und Triggerfinger und die beste Show war von Rammstein, solange man sie aus der Ferne anschaute. Mal sehen, was Southside 2014 mit sich bringen wird.