Montag, 14. Juli 2008

Amsterdam - Eindrücke eines über 30-jährigen

Допе, Хаш, Марихуана - Вам привет из Амстердама (Dope, Hasch, Marihuana - Grüße aus Amsterdam), mit diesem Liedchen auf den Lippen stieg ich in den Nachtzug München-Amsterdam ein, um dort meinen Geburtstag zu feiern. Ich war bisher zwei Mal in Amsterdam, einmal als unschuldiger Elftklässler, der keine Ahnung hatte, was ihn dort erwartet, und der sich unvermittelt mitten im Rotlichtviertel wiederfand und einmal mit ein paar Studienfreunden, als wir komplett verpeilt dort auftauchten, irgendwie an ein Hotel rankamen, ich war viel zu nervös was zu rauchen, weil ich mit dem Auto zurückfahren musste. Beide Male habe ich zwar gemerkt, dass Amsterdam eine wunderschöne Stadt ist, doch viel von der Stadt behalten habe ich nicht. Diesmal wollte ich das ändern, also vorher Hotel gebucht, genug Zeit mitgebracht, ausserdem war meine Freundin dabei, um rational auf mich einzuwirken. Nachfolgend ein paar Eindrücke:

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Der erste Eindruck am Bahnhof

- Meine Erinnerung hat mich nicht getäuscht. Amsterdam ist wirklich wunderschön. Die riesige Altstadt aus dem 17. Jahrhundert, der "goldenen" Zeit Hollands ist sehr gut erhalten, man kann tagelang an den Grachten entlang spazieren gehen und sich in den alten Zeiten wiederfinden. Die Häuser haben sich erstaunlich gut an die moderne Zeit angepasst, viele haben unten kleine Lädchen, es gibt kaum verfallene Häuser (kein Wunder bei den Wohnpreisen dort), selbst moderne Häusern haben Flaschenzüge an den Dächern, ob zu Dekoration oder aus Gewohnheit weiss ich nicht.


Kinotheater im schönsten Jugendstil

- Bekleidungstechnisch sind alle deutsche Städte (vielleicht mit Ausnahme von Häckischen Höfen in Berlin) stinklangweilig., Egal welche Innenstadt man anschaut, es ist immer das gleiche Bild: H&M, Zero, Benetton, C&A, P&C, Brigdit Bijou und ein paar andere immergleiche Marken. Was für ein Unterschied sind dagegen die Einkaufsstrassen in Madrid, Tel Aviv, Buenos Aires und Amsterdam! Duzende von Lädchen mit komplett unbekannten Modemarken, oder gleich mit eigenem Designer, aber dafür mit so vielen Ideen und Vielfalt. Dagegen wirken in deutschen Läden die Kleider wie Uniformen.

- Das Gerücht, dass die Holländer keine Vorhänge haben stimmt teilweise, sie haben keine Vorhänge dort, wo sie was vorzuzeigen haben. Bei den Spaziergängen an den Grachten entlang, kann man hin und wieder einen Blick in die Zimmer werfen und was man dort sieht schafft mühelos (selbst ohne vorheriges Aufräumen) auf das Titelbild von "Schöner Wohnen". Riesige Bibliotheken, Designküchen, Kronleuchter, alles mit viel Geschmack eingerichtet, man wird ganz schön neidisch.


Wohnen im Hausboot

- Amsterdam hat kaum Kirchen oder Paläste, die man von innen anschauen kann, es wird kaum Werbung dafür gemacht, den Eingang der Kirche sucht man erstmal und dann ist sie entweder geschlossen oder der Eintritt so teuer, dass da niemand freiwillig reingeht. Die einzige Kirche, die wir besucht haben, war eine katholische Kirche auf dem Dachboden eines Hauses eines Kaufmanns, der auf die Art und Weise den Katholizismus-Verbot umgehen wollte. Ich denke das resultiert aus der Geschichte Amsterdams, die schon immer eine Bürgerstadt war, nach den Erfahrungen mit der spanischen Inquisition war das Verlangen nach Religion nie besonders stark und die Monarchie hatte auch nie viel zu sagen. Die Stadtväter waren immer liberal und pragmatisch und hatten nie viel Geld für Herrschaftssymbole übrig.

- Dieser Pragmatismus ist bis heute übriggeblieben, dadurch resultiert sich die Haltung der Amsterdamer zu weichen Drogen und Prostitution. Wenn festgestellt wird, dass ein grosser Teil der Bevölkerung sich nicht an die Verbote hält und es keinen gesundheitlichen oder zivilgesellschaftlichen Grund gibt ein Verbot aufrechtzuerhalten, wird er abgeschafft und Geld daraus gemacht, weil andere Länder aus historischen, religiösen oder was auch immer für Gründen den Verbot aufrechterhalten. So wurde beschlossen die Kiffer und die Prostituierten nicht zu kriminalisieren, seitdem gilt zwar Amsterdam als die verruchteste Stadt auf Erden, zieht dafür jede Menge an jungen Touristen an, die diese Art von Weltanschauung teilen. Die Prostituierten haben eine Gewerkschaft, zahlen Steuern und sind in einer Krankenkasse versichert. Die Kiffer rauchen ruhig in boomenden Kaffeeshops ihr Joint zu Ende und bereichern das Stadtbild. Sieht wie eine win-win Situation aus, wenn man überholte Moralvorstellungen zur Seite legt.

- Trotz fehlenden Kirchen und Palästen kann man auch als nichtrauchenden und nicht sexsüchtiger Tourist eine Menge anschauen. Es gibt die ausgefallensten Museen, angefangen mit Tee- und Kaffeemuseum, bis Schmuckmuseum für Tiere. Wir waren in van Gogh Museum, eines der wenigen Museen, die behaupten können eine Kollektion aus allen Schaffensperioden eines Ausnahmekünstlers zu besitzen. Nur selten kann man die Entwicklung eines Künstlers so genau beobachten, angefangen von typisch holländischen dunklen Bauernbildern, über der Nachahmungen von Pariser Impressionisten, bis zum Finden des eigenen Stils, der van Gogh weltberühmt machte. Das andere Pflichtmuseum war das Haus der Anne Frank, allerdings sollte man vorher das Buch gelesen haben, um die gesamte Geschichte zu verstehen, die sich in diesen Zimmern ereignet hat. Sehr interessant ist Besuch am Samenmarkt, wo die Samen und Zwiebeln aller möglichen Pflanzen verkauft werden. Ich hätte nie gedacht, dass Tulpen so grosse Zwiebeln haben.


Vitrine des Tee- und Kaffeemuseums, der gleichzeitig ein Laden ist

- Kulinarisch sind die Holländer für den Käse berühmt, ein typisch holländisches Gericht sind Bitterballs, das sind eine Art runde Kroketten, die man mit den Händen in den Senf tunkt und zum Bier isst. Eine größere Variation von Kroketten mit allen möglichen Füllungen gibt es bei FEBO, wo man seine Krokette aus einem Automaten ziehen kann, was für die nächste halbe Stunde den Heisshunger abmildert. Aufgrund der kolonialen Vergangenheit Hollands gibt es eine Menge indonesischer und surinamischer Restaurants, leider mit recht gepfefferten Preisen und Speisen.


Qual der Wahl bei FEBO

Mit einem Wort wäre es äussert Ungerecht Amsterdam auf Kiffer und Sexparadies zu reduzieren. Die Stadt bietet viel, viel mehr.