Samstag, 13. August 2011

Eine Reise nach Polen

Am Wochenende war ich in Warschau auf eine Hochzeit eingeladen. Mein Freund Arek hat geheiratet und freute sich sehr mich zu sehen. Ich habe mich auch gefreut, sowohl über die Einladung, aber auch über das was ich in Polen gesehen habe.

Polen hat einen langen Weg hinter sich, nachdem der Eiserne Vorhang zerbröselte und Westeuropa das Land und die Leute kennenlernen durfte. Zuerst war Polen berühmt-berüchtigt für Autoklaus, es war richtig gefährlich durch Polen zu fahren, Polenwitze wie über die beliebtesten Vornamen (wer es schon vergessen hat "Klaus und Dietrich") machten die Runde, ausserdem gab es viele Missverständnisse bezüglich Geschichtsinterpretation und der Ausrichtung der polnischen Politik zur US, denen die Polen eher trauten, als der Europäischen Union. In Westeuropa längst vergessene geschichtliche Ereignisse wie die polnischen Teilungen waren fest im polnischen Gedächtnis verankert und bei deutsch-polnischen Diskussionen, wie bei mir auf der Uni, ernteten die polnischen Studenten komplettes Unverständnis, als sie diese Fehden zur Sprache brachten. Auch politisch brachte Polen viel Unruhe in die europäische Politik, als sie als eine der wenigen Ländern der US-Koalition der Willigen betraten und laut Jacques Chirac die exzellente Gelegenheit verpassten "Mal den Mund zu halten". Auch bereiteten die EU-skeptischen Kaczynski-Brüder viel Kopfschmerzen, als die Verhandlungen zu der Europäischen Verfassung geführt wurden. Jetzt führt Polen den EU-Vorsitz und im Gegesatz zu Ungarn ist der Wechsel reibungslos gelungen und die gesetzten Ziele wie "offenen und neutralen Charakter des Internets zu bewahren und die Netzneutralität als politische Zielsetzung zu berücksichtigen". Das kann man nur begrüßen.

Ein paar Jahre sind vergangen und das Bild hat sich komplett gewandelt. Polen ist ein Vorbild geworden, was die Wirtschaftsentwicklung angeht. Es war das einzige Land der EU, das im Krisenjahr 2008 Wirtschaftswachsum vorweisen konnte. Der Verzicht auf Euro hat sich als goldrichtig erwiesen, nur ausgewiesene Masochisten würden jetzt der Eurozonen beitreten wollen. In Supermärkten sind Regale voll mit heimischen Produkten, die allgemeinen Preise sind recht niedrig. Der Immobilienboom fand zwar statt, aber bei weitem nicht so ausgeprägt wie in Baltikum. Eine normale Familie mit zwei Verdienern kann sich eine schicke Neubauwohnung in Warschau leisten. Die Gehälter sind zwar immer noch niedrig, aber hoch genug, dass viele der jungen Polen, die nach England emigrierten, jetzt zurückkommen, denn wie es mir erklärt wurde, in England sind sie nur Arbeitssklaven, während in Polen sie durchaus ihr eigener Chef sein können. Die Gehälter unterscheiden sich nur unwesentlich, was auch das Ausbleiben der polnischen Arbeitswelle nach der Aufhebung der Arbeitsbeschränkungen in Deutschland erklären würde. Und was die Witze angeht, so wird eher über den faulen deutschen Meister mit unfähigem Lehrling gelacht, während die polnischen Bauarbeiter sehr gut wegkommen.

Doch neben den wirtschaftlichen Erfolgen, waren mir die Leute, die ich traf, sehr sympatisch. Zwei Fremdsprachen sind in polnischen Schulen Pflicht, deswegen sprechen die meisten neben sehr gutem Englisch auch noch Deutsch oder Französisch, selbst Russisch ist wieder beliebt.



Viele Leute identifizieren sich nach wie vor mir der Kirche, die Gottesdienste sind voll und eine junge Polin erklärte mir, dass sie an dem jetzigen Papst den Klarheit seiner Gedanken schätzt, nachdem sie seine Bücher gelesen hat. Mir ist in Deutschland noch niemand begegnet, der Bücher des deutschen Papstes gelesen hat. Doch natürlich ist Johannes Paul der II, der beliebsteste Pole, der noch lange in Herzen der Menschen bleiben wird.





Polen erinnern sich nach wie vor an die dunklen Kapitel ihrer Geschichte. In der Kirche, in der die Trauung stattgefunden hat, sah man einen Birkenkreuz mit einem Stahlhelm mit einer weiß-roten Binde, die Erinnerung an den Warschauer Aufstand 1944 (nicht zu verwechseln mit dem Aufstand in Warschauer Ghetto 1943). Auch in der Warschauer Innenstadt sind Stände aufgebaut, wo Leute in Militäruniformen dieser Zeit die Waffen vorführen, mit denen die Aufständischen gekämpft haben. Ansonsten ist die Warschauer Altstadt voll mit Leuten, wobei die zentralen Plätze schon sehr zugestellt sind. Doch einen längeren Ausflug ist Warschau definitv wert.