Montag, 26. Januar 2009

Das Malta-ABC

A - Arabisch: Es ist ein von der Werbung für die Englisch-Sprachschulen eingeimpftes Vorurteil, dass auf Malta alle Einwohner native Englisch-Speaker wären, oder die Sprache zumindest gut beherrschen würden. Die nackte Wahrheit ist, dass nur für 30% der Malteser Englisch die Muttersprache ist, für den Rest ist es Maltesisch, eine schwer erlernbare Sprache mit arabischen (aber auch italienischen, phönizischen und anderen) Wurzeln, die für die Aussenstehenden kaum zu verstehen ist. Angeblich ist es die einzige arabische Sprache, die mit lateinischem Alphabet auskommt. Das bedeutet, dass 70% der Malteser die zweite Staatssprache Englisch zwar sprechen, aber von Oxford oder Cambridge-Aussprache weit entfernt sind.

B - Bevölkerung: Quasi die ganze Zeit ist Malta von irgendjemandem besetzt, von Johannitern, von Franzosen, von Engländern, von Touristen. Gelegentlich wird in Geschichtsbüchern auch von der einheimischen Bevölkerung gesprochen, die es auch gibt, die aber nie viel zu sagen hatte. Die ganze Geschichte Maltas war immer fremdbestimmt, alle Kriege aus höheren, strategisch wichtigen Gründen geführt, alle Festungen nicht zum Schutz der Insel, sondern zum Schutz Europas gebaut. Die Insulaner haben sich eingewöhnt nur die Dinge von den Besatzern zu übernehmen, die ihnen gepasst haben (englische Party-Kultur, aber nicht die Religion oder Kochkünste) und hielten sich sonst aus der Politik raus. Nur in einem Akt der Verzweiflung, als die Engländer sich ernsthaft gefragt haben, was sie mit der Insel eigentlich sollen, hat Malta sich für die Unabhängigkeit entschieden, um gleich Chinesen, Libyer und Sowjets zu fragen, ob sie sie übernehmen möchten. Nachdem diese Staaten dankend abgelehnt haben, war die EU der rettender Anker mit den Massen an Touristen, die auch eigene Unsitten einführen möchten (bspw. Nacktbaden am 1.Januar), die jedoch auch nicht übernommen werden.







Busse: Eine Attraktion auf Malta sind die uralte (aber sehr gut instandgehaltene) Busse, die auf holprigsten Strassen einen sehr günstig (47 Cent für die Zone, die die halbe Insel umfasst) überall hinbringen. Ein Problem ist, dass alle Busse in Valetta starten und auch enden, so dass man ein Dorf, dass 2km mit anderen über eine Querstrasse verbunden ist, mit dem Bus nur erreicht, indem man nach Valetta fährt und wieder zurück.







C - Cribs (engl. Krippe): Überall stehen während der Weihnachtszeit Krippen rum. Manchmal sind es spezielle Fenster in Häusern, manchmal nur im Profil (Schattenkrippe) auf der Strasse, manchmal gibt es auch Variationen, wie Darstellung einer Kneipe in der St.John Cathedral (zentrale Kirche des Landes), die wie im erläuternden Text daneben steht, mit der Weihnachtsgeschichte nichts zu tun hat.

D - Deutsche: haben die Insel nie richtig besetzt (wobei es viele Deutsche unter den Johannitern und Touristen gibt, so dass man von einer teilweisen Okkupation sprechen kann). Während des zweiten Weltkrieges verdienten sich die Insulaner einen St.George-Orden, weil sie der heftigen Bombardierung durch die Deutschen standgehalten haben, den sie jetzt stolz in ihrer Fahne führen.

E - England: Aus der englischen Besatzungszeit wurde folgendes übernommen: Binge-Drinking während des New Year Eve, breite Gürtel als Röcke auch wenn es sehr unvorteilhaft aussieht, Schuluniformen, Klamotten-Läden, Frühstück-Menü, Krankenversicherung, Immobilienblase, Gedudel, Linksverkehr, einsamer Marks & Spencers in Valetta.

F - Feuerwerk: kein, zumindest nicht während des New Year Eve. Angeblich im Sommer, um die zahlreichen Heiligen zu feiern. Das bombastische Feuerwerk 2004, als Teil der Beitrittsfeier zu EU, war ein perfide Touristenfalle für die nachfolgende Silvstertouristen, in die wir auch reingetappt sind.

G - Gedudel: Auf der Republic-Street, also auf der Hauptstrasse sind auf jeder Strassenlaterne Lautsprecher angebracht, die den ganzen Tag schlimmstes englisch-sprachiges Gedudel produzieren. Die Insulaner scheinen es zu mögen, zumindest haben die Fischer ihre kleine Kassettenrekorder dabei aus denen das gleiche Gedudel tönt und im Hotel werden im Speisesaal englische, französische und bayerische Weihnachtslieder hoch- und runtergedudelt.

H - Hasen: Die einzigen Fleischlieferanten auf der Insel. Da jeder Tourist unbedingt was landspezifisches probieren möchte, muss jedes Restaurant eine Hasenspeise in der Menüauswahl haben. Da es gar nicht möglich ist, dass so viele Hasen auf die kleine Insel passen, um alle hungrigen Touristen zufriedenzustellen, wurden wahrscheinlich harte Regelungen eingeführt, um einen Mindestbesand an Hasen zu bewahren. Die Quote besteht wohl aus einem Hasen pro Tag für die ganze Insel, deswegen wird jedes Fleischfetzen verwendet, es gibt Spagetti mit Hasensauce, Tortellini mit Hasenfüllung, Hasenstew, aber nirgends einen Hasen am Stück, so dass die ursprüngliche Form noch geblieben ist. Dasselbe gilt für die armen Ziegen von der Nachbarinsel, aus deren Milch berühmtes Ziegenkäse produziert wird. Schätze, es werden Vakuumpumpen benutzt, um den letzten Tropfen Milch auszusaugen.

I - Islam: Früher von Johannitern aufs heftigste bekämpft, heute reicht es zu einer Palästinenserdemo gegen den Krieg im Gaza-Streifen. Es gibt auch eine Moschee, die von Libyern gespendet wurde, wäre sie nicht angenommen worden, hätten die Malteser heute Energieprobleme.

J - Johanniter: Nachdem sie aus Jerusalem vertrieben worden waren und nicht im kalten Schloss zu Hause leben wollten, bot der spanische König den Johannitern Malta an. Nach dem anfänglichen Entsetzen über den Mangel an Bespassungsmöglichkeiten (da die Engländer noch nicht da waren, gab es kein Binge-Drinking und keine Gürtel-Röcke), änderte sich die Sachlage grundlegend, als die Türken in Europa einfallen wollten und Malta ihnen im Weg stand. Es began die erste grosse Belagerung durch die überlegene türkische Flotte und blutrünstige Janitscharen. Doch der Angriff wurde abgewehrt, Europa bedankte sich mit sackweise voll Geld, das zum Bau von noch mehr Festungen, der Stadt Valetta, Hospitälern und Kirchen verwendet werden konnte. Jeder Grossmeister badete in Erinnerung an dieses grossartige Sieg und stellte sich als der größte Kriegsherr aller Zeiten dar (was etwas peinlich ist, wenn in der Heraldik Birnen das herausragende Element darstellen). Wie auch immer, die grosse Zeit der Johanniter endete schlagartig, als Napoleon, der leider Gottes getauft war, sich der Insel bemächtigte. Denn der Kampf gegen Christen war Johannitern verboten.



K - Kirchen: ja, viele. An Weihnachten werden die Innenwände von mit purpurnen Stoffen überzogen. Sehr interessant sind auch die farbenfrohen marmornen Grabplatten, die die Kirchenböden verzieren.





Katakomben - Recht gruselige unterirdische Gänge gebaut zu Frühzeiten des Christentums in Rabatt. Viele Gänge sind verschüttet, in vielen Gräben liegen noch Skelette. Angeblich wurden Gräber nur innerhalb eines Tages angelegt, was schwer vorstellbar erscheint, angesichts der Größe der Gänge und der Gräber selbst. Doch die unterschiedliche Größe der aus dem Stein gehauenen Gräber beweist, dass hier auf Bestellung gearbeitet wurde.

Kinnie - Die Nationallimonade. Schmeckt wie mit Mineralwasser verdünnter Jägermeister, aber alkoholfrei. Nach einigem Schnuttenziehen doch recht geniessbar. Den Gaststättenschildern nach zu urteilen, viel beliebter als jedes Bier.

L - Lada: Das erste Mal, dass ich eine Lada mit der Lenkung auf der rechten Seite gesehen habe.

M - Malteser Falken: 1) Bezahlung der Johanniter an den spanischen König für die Nutzung der Insel, es ist mir schleierhaft, wo sie ihn hergenommen haben. 2) Ein Kultfilm mit Humphrey Bogard, der auf Malta spielt (noch nicht gesehen). Hat eine Menge von Filmemachern auf die Insel gelockt, die alle möglichen Sandalenfilme hier gedreht haben (Gladiator, Troja)



Medina: Frühere Hauptstadt, jetzt fast komplett verlassen, da einen ganzen Palast zu bewohnen und zu unterhalten, nicht jedermanns Sache ist.

N - New Year Eve: kein Feuerwerk, keine Knaller, keine Leute auf den Strassen. Bis zuletzt wurde gehofft, dass das Kreuzschiff Aida für Party sorgen wird, doch selbst das wurde den enttäuschten Touristen nicht gegönnt. Ein paar anliegende Schiffe hatten Mitleid und tüteten ein paar Mal.



O - Orangenbäume: Wunderbare Möglichkeit mal eine natürlich gereifte Orange vom Baum abzureissen und in den Mund zu stopfen. Vorsicht: Eine natürlich gereifte Orange hat mehr von Fanta-Geschmack, also komplett süß, als eine Orange aus dem deutschen Supermarkt

P - Präsident: Trockener Kommentar unserer Fremdenführerin zu der Fahne am Präsidentenpalast: Ist der Lappen oben, ist der Lumpen drinnen

Q -

R - Rabatt: Die lebende Stadt neben Medina. Berühmt für die Katakomben und eine tolle Bäckerei mit gebackenen Anis-Mohn-Ringen und anderen süßen Backerzeugnissen

S - Strassen: Holprig wie eh und je, die EU-Mitgliedschaft hat hier noch nicht die gewünschte Wirkung entfaltet, nur der Strassenstreifen vom Flughafen in die Stadt ist einigermassen eben, aber nicht der Streifen zurück.

T - Touristen: Sind zu jeder Jahreszeit und an jedem Fleckchen der Insel anzutreffen. Werden mit stoischer Gleichgültigkeit von der Bevölkerung behandelt und als notwendiges Übel akzeptiert.



U - Urbevölkerung: Es gab auch eine Urbevölkerung, die schon vor Ägyptern und Erbauern von Stonehenge beeindruckende Tempel und Frauenfiguren in Stein haute, Gebäude sogar mehrstöckig, was die heutige Bevölkerung praktischerweise übernommen hat.

V - Vögel: keine; nicht eine einzige Möwe, keine Ente, kein Storch. Im Reiseführer steht, dass es ein Volkssport ist, alles was fliegen kann, abzuschiessen (zum Glück keine Flugzeuge).







W - Weihnachtsbeleuchtung: Als Ergänzung zu dem Gedudel und den Krippen sind die Strassen mit vielfältiger Weihnachtsbeleuchtung vollgehängt.

X -



Y - Yachten: Wegen angeblich so günstigen Anlegegebühren überwintern in Maltas Häfen viele Yachten, die im Sommer normalerweise vor St.Tropez oder St.Petersburg cruisen.



Z - Zugebaut: Quasi die gesamte Nordküste und die Mitte der Insel sind eine einzige Stadt, die offiziell aus mehreren besteht, die aber fliessend ineinander übergehen. Malta hat mit die dichteste Bevölkerung in ganz EU und sie braucht nun mal Platz. Alles ist voll mit mehrstöckigen Gebäuden, andererseits stehen viele Gebäude leer, die innendrin komplett abgewohnt wurden, doch da sie aus massiven Stein bestehen, werden sie nicht abgerissen.