Montag, 25. Juni 2012

Southside 2012

Nach drei Jahren Pause war ich wieder auf Southside, hier ein paar Impressionen:

In: Wenn man den Wirtschaftswissenschaftlern glaubt, dass die Wirtschaftskonjunktur sich in der Rocklänge der Frauen spiegelt, dann leben wir in goldenen Zeiten. Kürzeste Jeans-Shorts mit von unten rausschauenden Taschen waren Standard.

Wer schon kein Tattoo hat, der soll sich gefälligst mit Filzstift bemalen.

Sehr schön ist die Erfindung der Grünen Zone, auch als Senior-Paradies bekannt. Offiziell kommt man kommt da nur rein, wenn man ein Zettel ausgefüllt hat, aber Hundewelpenblicke helfen da weiter, deswegen haben wir auch so das grüne Bändchen bekommen. Viel ruhiger und sauberer, als in der Pöbel-Zone, Festival-Feeling ist nach wie vor garantiert.

Furry-Kostüme waren der Renner, auch der Diktator hat das Festival mit seinem Besuch geehrt.

Seifenblasen

Out: Ausser mir waren vielleicht noch 3 Leute mit Männerrock unterwegs. Seit Jonathan Davis von Korn nicht mehr so in ist, gilt der Männerrock nicht mehr up-to-date.

BW-Stiefeln sind gut zum Töten, aber sehr schlecht zum Tanzen.

Dicke Programmheftchen. Der Festivalbesucher von heute hat sein Smartphone dabei, wo die Southside-App alle Bands mit Information anzeigt. Wenigstens sind alle Infos offline verfügbar, da das Netz unterirdisch war, was bei der Anzahl der Besucher auch nicht verwundert. Dafür sassen an den zur Verfügung gestellten Ladestationen die Handy-Junkies und warteten, bis ihr Akku wieder voll ist.

Zu den gesehenen Bands:

Gus Gus: Kannte ich aus diversen Soundtracks. Der Sänger sollte seine Garderobe etwas überdenken, ansonsten bleibe ich bei Underworld als meiner Weckmusik, Gus Gus ist zu ähnlich, als ich da ein Wechsel vornehmen würde

Nneka: Sehe coole schwarze Sängerin mit einer weissen Rock-Band. Klingt wie die MisMisеducation von Lauryn Hill

Florence and the Machine: Sollte eher Florence and the Windmachine heissen. Die rassige rothaarige Sängerin mit flatterndem Kleid rauschte über die Bühne. Musik war etwas nichtsagend, ich hätte etwas in Richtung Goldfrapp erwartet, habe mich aber getäuscht.

Noel Gallagher's High Flying Birds: Es gab mal eine Band, die hiess Oasis, war eine der größten Bands in den 90ern mit zwei genial zerstrittenen Brüdern Liam und Noel und aus dieser Bruderzwist heraus entstanden absolute Britpop-Hymnen. Noels neue Band spielt zwar immer noch soliden Britpop, aber von der damaligen Energie ist nicht zu spüren. Wahrscheinlich wollte Herr Gallagher schnell fertig sein und Fußball gucken, auch wenn England noch nicht dran war. "Don't Look Back in Anger" wurde als Zugabe gespielt.

Mumford & Sons: Britpop mit viel mehr Spiellust als die Gallaghers Vögel, leider zu wenig gesehen.

Die Ärzte: Absolut unvergessen ihr Auftritt am Southside 2009, besonders diese Szene:

Dieses Jahr spielten Die Ärzte nur neue unbekannten Lieder und haben sich mit blöden Fußballwitzen: "Griechenland hat 3:2 gewonnen" einige Sympathien verspielt.

Bonaparte: Ist zwar Lieblingsband von Eurovision-Lena, ich habe mit denen nichts anfangen können, habe nicht mal verstanden was für eine Art von Musik sie nun eigentlich spielen

Justice Live: Ich stehe neben jungen Französinnen die sagen, dass Justice Götter sind und man deswegen sich nicht ärgern soll, auch wenn sie einen verarschen. Die Bühnenanlage sieht schon mal interessant aus, Spezialanfertigung, sieht aus wie ein vertikaler Mischpult mit vielen bunten Lichten, sogar die Marshal-Verstärker entpuppen sich als Leuchtschirme. In der Mitte ist ein leuchtender Kreuz. Hoch oben residieren dann die beiden "Götter". Bei manchen Liedern kann der Pult auseinanderfahren, dahinter ist ein Klavier. Sieht schon beeindruckend aus. Nun zu der Musik. Es gibt kein Youtube-Video, das den Sound einfangen kann, denn ein Mikrofon, der den Bass einfangen kann, ist noch nicht erfunden worden. Es ist Gefühl das ein Neandertaler einem auf den Kopf mit einem Holzknüppel niederschlägt, immer und immer wieder. Das ist der Basssound von Justine Live. Chemical Brothers zumindest mit ihrem letzten Set werden von Justice niedergespielt, für Stereoanlagetesten sollte man ein Jusitce Album in den Hifiladen mitnehmen. Aber den Begriff "Götter" soll man nicht überstrapazieren, die Götter sind und bleiben The Prodigy, die eine riesige Halle bis auf den letzten Mann zum Tanzen bringen und wo der Kontrollverlust unausweichlich ist.

Black Box Revelation: Zwei angry young man mit Gitarre und Schlagzeug entfachen eine Show, dass man nach anfänglichem Fragen, wo sie denn ihren Bassisten vergessen haben, diese Frage ganz schnell vergisst. Diese Art von Besetzung kennt man zwar schon von White Stripes, aber die beiden rocken sehr gut ab. Hut ab von der Energie des Schlagzeugers.

Bombay Bicycle Club: Der Sänger wirkt mit seinem BWLer-Hemd wie ein Streber, wenn er allerdings Gitarre spielt, dann ist es ein cooler Streber. Netter Britpop mit ein paar netten Soundüberraschungen und gutem Duett mit der Backgroundsängerin.

DIE ANTWOORD: NEIN; MEINE CAP-LOCK TASTE IST NICHT KAPUTT. ABER ÜBER DIESE BAND MUSS MAN NUR IN GROßBUCHSTABEN SCHREIBEN. WENN HIP-HOP TOT IST, DANN IST DIE SÜDAFRIKANISCHE BUREN-BAND DIE RETTUNG! DER SOUND IST ABSOLUT VERSTÖREND MIT EINER SÄNGERIN YOLANDI VI$$ER, DIE MIT PIEPSSTIMME KNALLHARTE RAPS DRESCHT, DEM SÄNGER NINJA UND DEM DJ HI-TEK, DIE ALLE, ABSOLUT ALLE US-RAPPER BLAß AUSSEHEN LASSEN. CHECKT MAL DIE VIDEOS:

DER AUFTRITT WAR KEIN DEUT SCHLECHTER. ICH KAM AUS DEM KONZERT RAUS MIT DER ÜBERZEUGUNG, DASS MAN AUCH NACH HAUSE FAHREN KANN, DIESER AUFTRITT IST NICHT ZU TOPPEN. DAS AKTUELLE ALBUM HEISST TEN$ION. KAUFEN!

K.I.Z: Meine persönliche Hassband. Mit dem Spruch: "Mit Sexismus gegen Rechts" und Reimen wie: "Ich ficke Dir in den Arsch, bis Dir die Sperma aus der Nase fliesst" verkörpern sie alles was ich an Berlin hasse

Boy: Zwei süße Mädels, die gleich gestanden haben, das sie zum ersten Mal auf einem Festival auftreten. Freuten sich tierisch, als Zuschauer viele Lieder schon auswendig kannten und fleissig mitsangen. Unschuldiger Pop, schön zum runterkommen

Katzenjammer: Eine Band auf die ich mich am meisten gefreut habe. Vier Norwegerinnen zwar ohne bestimmte Rollen in der Band, alle spielen alles, wechseln sich bei jedem Lied ab, doch natürlich gibt es die lustige Dicke, die süße Blonde, die freakige Schwarzhaarige und der dunkelblonde Kumpeltyp. Da jede an den Mic mal darf ist die Mischung auch sehr bunt, von Country, über Finnish-Tango zu Pop alá The Corrs. Für jeden Geschmack etwas sowohl akustisch, als auch visuell

The Cure: Wenn man gefragt wird, wer denn auf dem Festival auftreten wird, und man sagt: "The Cure", sagen die meisten bedeutungsvoll: "Oh". Von Robert Smith und seiner Band muss man schon mal was gehört haben, sonst outet man sich als absoluter Musiktrottel. Aber Hand aufs Herz, wieviele Lieder von The Cure kennt man denn eigentlich? Zwei oder doch eher drei? Die Generation vor mir wird natürlich gleich ihre CDs oder gar LPs aus der Mottenkiste rausholen und mir erzählen, wie sie ihre erste zerbrochene Liebe mit The Cure-hören geheilt haben, aber meine Generation interessiert es schon recht wenig und die Generation, die auf dem Festival satte Mehrheit darstellte, also die, die mich mit "Sie" angesprochen hat, weiss von The Cure oder New Order noch viel weniger. Deswegen aus reinstem Interesse ging ich hin, sah, dass Robert Smith wirklich existiert, dass seine Frisur sich nicht geändert hat und seine Lieder tatsächlich recht traurig sind. Dann ging ich wieder. Angeblich hat er über 2 1/2 Stunden gespielt und "Friday I'm in love" oder "Boys don't cry" waren nicht darunter.

Jennifer Rostock: Eigentlich habe ich gedacht, Jennifer Rostock wäre eine Girlie, die harmlose Lieder alá Silbermond singt. Was auf die Bühne kam war eine volltatooierte Ossi Rock-Schlampe (immerhin mit Yolanda Vi$$er Shirt), die gleich mal nach einem Schnaps für sich und ihre Band-Kollegen verlangte. Eine, die die Zuschauer rechts "ihre rechte Schamlippe" nannte, die Zuschauer links entsprechend. Eine, die sich auf der Bühne befummelte, die Zuschauerinnen, die auf den Schultern ihrer Typen sassen, gleich mal zum Tittenzeigen aufforderte und bei dem Lied "Du willst mir an die Wäsche" sollten sich alle ausziehen und mit ihren Wäschestücken wedeln. Also perfekte Festivalunterhaltung. Was die Lieder angeht, die waren tatsächlich harmlos.

The Do: Habe schon vor drei Jahren gesehen, aber schon wieder vergessen. Dafür kamen die Melodien gleich wieder in Erinnerung, die Soundkulisse von The Do ist schon sehr spezifisch. Sehr schön anzuhören.

Eagles of Death Metal: Auch vor drei Jahren gesehen, damals keine so gute Erinnerung. Allerdings rocken sie schon, ohne eine Note gespielt zu haben. Gehen doch sehr gut ab, der gute alte Rock'n'Roll.

Fazit: Die Antwoord war DIE Entdeckung diesen Festivals. Grüne Zone ist eine gute Erfindung. Die Organisation des Festivals war sehr professionell, danke für die drei schönen Tage.