Sonntag, 14. Juni 2015

Ein Monat leben wie Gott in Frankreich

Ich gebe zu, es ist mit der Zeit langweilig immer mit dem Standardsatz: Meine Freundin hatte eine Idee, anzufangen, aber so ist es nun mal auch in diesem Fall. Also meine Freundin hatte die Idee sehr lange Urlaub zu machen. Ich war von der Idee weniger begeistert, denn langer Urlaub im Winter bedeutet kurzer Urlaub im Sommer, aber dann hatte sie geniale Idee, dass wir nach Nizza gehen könnten, ich könnte in unserem Firmenoffice in Sophia Antipolis arbeiten, während sie ihr bereits sehr gutes französisch wieder auffrischt. Mein Chef hatte keine Einwände, sein Chef, der praktischerweise in Sophia sitzt, auch nicht, also gab ich grünes Licht.

Côte d’Azur kannte ich schon von meiner Radtour. Doch ein Monat in Nizza zu leben ist was ganz anderes, als schnell vorbeizufahren.

Der erste Samstag: Ankommen in Nizza

Februar hat Deutschland fest im Griff, ich habe meinen dicksten Pullover an, als ich ins Flugzeug nach Nizza steige. Eine Stunde Flug und das erste was ich sehe ist folgendes Bild, das das Lebensgefühl von Côte schon ganz gut beschreibt: Palmen, blauer Himmel, Kiss and Fly Parkplatz…

Das nächste Bild ist genauso schön, die langgezogene Promenade Anglais mit hunderten von Joggern, die Altstadt von Nizza im Hintergrund und das azurblau des Wassers im Baie des Anges, der Bucht der Engel. Sie heisst so, weil dort Fische gefangen werden, die Flossen hatten, die wie Engelsflügel aussahen, die andere Version lautet, dass hier die Leiche von der Heiligen Réparate angeschwommen kam und von Engeln ans Land gebracht wurde. Die ganz romantische Version ist, dass Adam und Eva nachdem sie aus Paradies vertrieben wurden, erstmal von barmherzigen Engeln hierher gebracht wurden, weil es hier wie bei ihnen zu Hause aussieht.

Ich fahre mit dem Flughafenbus (kostet 6 EUR für ein paar Haltestellen, wenn man wenig Gepäck hat kann man wunderbar auf ihn verzichten), die Promenade Anglais runter und finde schnell unser Adagio Access Hotel, ein Apartment Hotel, mit einer kleinen Kochnische, wo wir einen glücklichen Monat verbringen werden.

Wir gehen gleich spazieren, das Meer ist etwas unruhig, die Möwen versuchen zu erraten, wer von den Strandbesuchern ein trockenes Baguette für sie übrig haben könnte. Ich laufe im dünnen Pulli durch die Gegend, während alle anderen Leute eher dicke Mäntel bevorzugen.


Das berühmte Hotel Negresco mit pastellfarbenem Dach

Abends stelle ich fest, dass Promenade Anglais auch der Strassenstrich von Nizza ist, einige leichtangezogene Damen stehen gelangweilt rum und warten definitiv nicht auf ihren Freund, der sie abholt. Es gibt aber auch ältere Damen, die in schweren Mänteln genauso gelangweilt rumstehen, das ist wohl etwas für den ausgefallenen Freier.

Auf der Promenade finden wir folgenden Denkmal den Franzosen, die aus Nordafrika flüchten mussten und größtenteils hier ankamen.

Der erste Sonntag: Spaziergang durch Nizza

Gleich neben unserem Hotel gibt es eine Boulongerie-Pâtisserie, die gefühlsmäßig rund um die Uhr auf hat und wo ich jeden Morgen runtergehe, um einen Croissant und ein Pain du Chocolate zu holen. Abends wird dann ein Baguette geholt, also in Frankreich sich kohlenhydrat-arm zu ernähren ist kein einfaches Unterfangen. Ansonsten kaufen wir im Casino ein, ein Supermarkt um die Ecke, der sich aber schwer vom deutschen Supermarkt um die Ecke unterscheidet und zwar in positiven Sinne.

Nach dem Frühstück gehen wir dann los, Nizza zu erkunden. Um den besten Blick auf Nizza zu erhaschen, geht man die Promenade des Anglais bis zum Ende und steigt auf den Hügel, wo es früher einen Schloss gegeben hat, jetzt der Parc de la Colline du Château sich befindet. Von dort kann man wunderbar auf die Altstadt Vieux Nice runtergucken.

Wie es im Sommer hier aussieht, verdeutlicht das Bild von Jean Klissak, das auch im Musee d’Art Naif ausgestellt ist.

Nizza war seit dem 19. Jahrhundert ein beliebtes Kurort, wohin Kranke aus ganz Europa kamen, um sich auszukurieren. Bei manchen ging es schief, so dass sie in Nizza verstarben. Deswegen hat Nizza einen großen Friedhof mit reichen Ausländern. Viel Platz nehmen Gräber mit reichen jüdischen Verstorbenen, viele davon aus Russland und Deutschland wovon die kyrillischen und deutschen Inschriften auf den Gräbern zeugen.

Wir gehen runter in die Stadt und essen nizzianische Speisen, Pissaladière, ein Zwiebelkuchen mit salzigen Sardelle und farcis, das sind kleine Tomaten, Paprikas, Auberginen, Zucchinis, die mit Hackfleisch gefüllt sind. Ausserdem wird überall Socca verkauft, das sind Fladen aus Kichererbsenmehl, heiss und fettig. Derart gestärkt wollen wir noch die größte russisch-orthodoxe Kirche ausserhalb von Russland besichtigen, aber die wird momentan renoviert, wobei die Kosten vom russischen Staat getragen werden.

Montag: Der erste Arbeitstag

Heute ist der erste Arbeitstag. Ich setze mich in den Bus, Ticketpreis 1,50 EUR und lasse mich eine Stunde lang am Meer entlang in die Arbeit kutschieren. Die Idee mit Sophia Antipolis als einem Arbeitsplatz, zu dem man gerne fährt und ungerne wieder verlässt und folglich mehr leistet, ist sehr nett, das Problem ist das explodierende Verkehrsaufkommen, so dass die Strassen zu Sophia Antipolis seit einigen Jahren notorisch verstopft sind. Trotz der günstigen Busse, fahren Franzosen mit ihrem Voiture in die Arbeit und sorgen für Morgen- und Abendstaus. Allerdings ist der Weg mit dem Bus in Nizza viel schöner, als der Weg mit der Tram in Moskau.


Bus in Nizza


Tram in Moskau


Office in Sophia Antipolis

Im Bus selbst ist es ein guter Ton, sich vom Fahrer zu verabschieden und ihm guten Tag zu wünschen.

Das Office ist sehr hübsch gelegen, ich bekomme allerdings ein Cubicle ohne Tageslicht, das ist in Frankreich wohl erlaubt. Die Mittagssandwiches und Salate schmecken erheblich besser als in Deutschland und die Stunde Pause wird heilig eingehalten. Das Office ist kaum internationalisiert, die Arbeitssprache ist französisch, aber mir zuliebe wird dann doch ins Englisch gewechselt.

Mir wird ein stolzer Besitzer einen Firmen-Elektroautos vorgestellt, der mir erzählt, wie er von Südfrankreich nach Schottland quasi für umme gefahren ist, weil noch nirgendwo Abrechnungssysteme für E-Autos installiert wurden. Allerdings gibt es in Nizza mehrere Leihautos, die an Steckdosen aufgeladen werden. In Deutschland muss man so was lange suchen.

Was man in Deutschland noch lange suchen muss, ist das Konzept von Le Velo Bleue. Man registriert sich und kann dann recht unkompliziert Fahrräder ausleihen, die überall in der Stadt verteilt sind. Wenn man 10 EUR im Monat zahlt, fährt man die erste halbe Stunde umsonst, was gut reicht, um die Promenade Anglais durchzuradeln. Entsprechend häufig liehen wir uns die Räder aus, um darauf Nizza zu erkunden.

Der zweite Samstag: Le Palais Lascaris, MAMAC

Ich kaufe mir eine Museum-Wochenkarte, also muss ich die Kosten wieder reinholen und möglichst viele Museen besuchen. Le Palais Lascaris ist ein Wohnhaus aus dem XVII Jahrhundert mit vielen alten Musikinstrumenten. Le MAMAC ist Musée de Nice dédicé à l’Art Moderne et l’Art Contemporain, also Museum der modernen Kunst. Am Eingang begegnet man gleich den Geschöpfen der Künstlerin Niki de Saint Phalle, der auch ein grosser Teil der Ausstellung gewidmet ist.

Ansonsten gibt es Maschinen von Jean Tinguely, blaue Bilder von Yves Klein und die üblichen Verdächtigen wie Roy Lichtenstein, Andy Warhol und AI Weiwei.

Eigentlich hätte heute der Karneval anfangen sollen, aber es regnet in Strömen, deswegen wird die ganze Veranstaltung kurzfristig abgesagt.

Der zweite Sonntag: Karnevallauf, Massena-Museum, Matisse-Museum, Karneval der Stadtteile

Wir gehen zu unserer ersten Karnevalveranstaltung, es ist ein Stadtlauf über fünf oder zehn Kilometer, wobei es nicht auf die Geschwindigkeit, sondern auf die bunteste Verkleidung ankommt. Hier eine Auswahl an Kostümen.


Franzosen wissen gar nicht, wer das sein soll, die Bayern wissen aber bescheid.

Wir gehen in Le Musee Masséna, eine Villa aus Belle Époque, die Ausstellung beschäftigt sich aber hauptsächlich mit der Napolonzeit in Nizza, die Statue des größten Herrschers der Franzosen passt aber auch sehr gut rein.


Das Familienbild der Besitzer, die alle nicht sonderlich glücklich reinschauen.

Wir fahren mit der Strassenbahn nach Norden, um Matisse-Museum zu besuchen. Zugegeben, ich kenne nicht viele Werke von Matisse und das Museum hat mich nicht überzeugt ein Fan von Matisse zu werden.

Aber es liegt in einem schönen Garten, wo die Wege nach berühmten Jazz-Musikern benannt sind, weil hier früher ein großer Jazz-Festival stattgefunden hat. Gleich daneben ist eine schöne Kirche des Klosters Cimiez

Heute regnet es nicht, deswegen beeilen wir uns zum La Parada Nissarda, das Karneval der Stadtteile. Wir kommen zwar rechtzeitig an, aber das ganze dauert höchstens 20 Minuten, danach sind die Wägen schon wieder vorbei. Die einzigen, die sich ins Zeug legen sind russischen Mädels, die mit Pauken und Trompeten flotte Märsche spielen und optisch auch ganz gut aussehen.

Wir bekommen Hunger und folgen der Empfehlung von meinem Kollegen zum Restaurant du Gesu in Vieux Nice. Die Kellner haben alle schlechte Zähne und sind Fans von irgendeinem Fussballclub. Wir bekommen unsere französischen Pizzen, die sich von den italienischen ziemlich unterscheiden, recht schnell serviert und machen den Fehler zu viel von dem Rose zu trinken. Am nächsten Morgen wache ich mit üblem Kopfschmerzen auf und werde gleich von den Kollegen gedisst. Rose bedeutet in Frankreich, dass da zwei billigsten Rot- und Weissweine zusammengeschüttet werden.

Der zweite Dienstag: Karneval draussen

Endlich ist das Wetter gut und das Karneval oder Corso carnavalesque illuminé findet endlich statt. Das Nizza Karneval geht über zwei Wochen und es finden 20 Veranstaltungen statt, wobei ich das Gefühl hatte, dass die ersten eineinhalb Wochen hauptsächlich Touristen kommen. Das offizielle Motto des diesjährigen Karnevals ist Roi de la Musique, also haben die meisten Wägen einen musikalischen Bezug, sie werden auch alle im Programmheft beschrieben. Die Hauptattraktionen sind natürlich der König und die Königin, die während der gesamten Karnevalszeit auf der Place Masséna ausgestellt werden.


Während der Prozession dürfen sie natürlich die Prozession anführen, dazu gibt es noch den ungezogenen Balg


Es gibt auch internationale Gäste, wie diese Truppe aus Südkorea


Irgendwelche Anspielungen auf französische Politiker, die wir nicht verstehen


Diese Anspielung verstehen wir sehr wohl, der russische Bär singt ein Duett mit Ukraine


Merkel gibt einen Punkt, Putin 10


Die Musikmaschine


Unverkennbare Conchitas


Unser Liebling: Die Heuschrecke


Die ganzen Herrschaften kennt man auch in Deutschland

Die inoffizielle Hymne des Karnevals ist Bruno Mars Uptown Funk

Was einen karnevalserfahrenen Deutschen total verwundert ist das fehlende Alkohol auf der Strasse. Die Stimmung könnte so viel besser sein! Aber meine Kollegen erklären mir, das ist nicht die feine französische Art auf der Strasse zu saufen, im Gegensatz zu den unzivilisierten Engländern oder Deutschen. Dafür spritzt man sich mit Schaumfäden voll und bewirft sich mit Konfetti.

Der dritte Samstag: Bataille de Fleurs fällt aus, Musee des Art Naives, Picard

Es regnet wieder, aber es ist Wochenende, viele Touristenbusse aus Deutschland, Schweiz und sogar England sind angekommen und die Webseite behauptet tapfer, dass Bataille de Fleurs stattfinden wird.

Wir gehen zum Negresco, die Wägen sind schon da und aufgebaut.

Doch pünktlich um 14:30 wird auf französisch, deutsch und englisch durchgesagt, dass wegen dem schlechten Wetter Bataille de Fleur ausfällt. In diesem Moment möchte ich kein Stadtführer sein und die erbosten Rentner besänftigen. Wir gehen aber ins Le Musee International d’Art Naif Anatole Jakovsky. Die ausgestellten Künstler sind größtenteils unbekannt, aber die Bilder und Skulpturen verbreiten eine fröhliche Stimmung, die das Regenwetter kompensiert.

Auf dem Weg nach Hause fällt uns ein seltsamer Laden auf. Es heisst Picard und besteht nur aus Kühltruhen in einem kahlen Raum. Dafür sind die Kühltruhen mit allen Köstlichkeiten der französischen Küche gefüllt, die man nur in Mikrowelle warmmachen braucht. Es ist wohl eine clevere Art das Grundproblem der französischen Frau zu lösen. Einerseits wird erwartet, dass sie voll berufstätig ist, andererseits verlangt die Familie nach allen Regeln der französischen Küche verköstigt zu werden, also geht die gestresste französische Frau zum Picard und holt was leckeres aus der Kühltruhe.

Der dritte Sonntag: Zumba, Menton, Monaco

Heute sind die Fischer mit dem Karnevalfeiern an der Reihe. Dieses Ereignis verpassen wir und kommen gerade noch rechtzeitig zum ersten Schwimmwettbewerb im Mittelmeer. Das Wasser ist nach wie vor kalt, also halten die meisten Schwimmer nur recht kurz im Wasser aus, dafür gibt es danach auf der Promenade Zumba zum Aufwärmen.

Wir hüpfen auf die deutsche stock-steife Art etwas mit und verabschieden uns nach Menton. Der Bus fährt immer noch für 1,50 EUR eine gute Stunde lang die Küste entlang nach Menton.

Menton ist die Stadt mit der ältesten Bevölkerung in Frankreich. Berühmt ist die Stadt für die hier wachsenden Orangen- und Zitronenbäume und für die Fête du Citron, also den Zitronenfest, der auch während der Karnevalszeit stattfindet. Das diesjährige Motto ist China, also werden die Wägen mit riesigen chinesischen Figuren, die aus Orangen und Zitronen bestehen, geschmückt.

Es gibt noch einen abgesperrten Garten mit noch viel größeren Figuren, aber der Eintritt kostet extra und wir haben nicht schnell genug geschaltet eine Kombikarte zu kaufen, nachträglich geht es leider nicht.

Menton selbst ist ein hübsches kleines Städtchen der Bär steppt da nicht gerade, aber ein paar Stunde kann man da gut verbringen.

Nach ein paar verbrachten Stunden, setzen wir uns wieder in den Bus und machen einen Zwischenstopp in Monaco.

Kaum eine Gegend der Welt ist derart zugebaut, wie Monaco. Mir fällt der Spruch des Berliner Stadtplaners ein, als es um die Bebauungspläne von Tempelhof ging: Selbst nach der Bebauung ist die freie Fläche größer als Monaco. Aber auf derart kleinen Fläche tummeln sich so viele Russen, dass sie es fertigbringen eine Maslenitsa (also die letzte Feier vor der russischen Fastenzeit) zu organisieren und in sämtlichen Zeitungen dafür Werbung zu machen. Ausserdem ist es das Russland-Jahr in Monaco.

Den Spektakel wollen wir uns nicht entgehen lassen und gehen zu den recht einfach aber stylisch aufgebauten Verkaufsständen. Es ist eine kleine Bühne aufgebaut auf der drei volkstümlich gekleidete Russinen Volkslieder zum besten geben. Es ist das sogenannte Verzeih-Sonntag, also wenn man um Verzeihung bittet, dann muss die andere Person entsprechend verzeihen. Als die Sängerinnen den Brauch erklären wollen, stürmt eine Frau mittleren Alters die Bühne, reisst den Sängerinnen das Mikro aus der Hand und skandiert, dass Donbass nicht verziehen wird. Die Sängerinnen lächeln tapfer und verlassen die Bühne, die Security holt die Frau von der Bühne.

Der vierte Dienstag: Karneval

Endlich ist das Wetter gut genug und wir haben Karten fürs Karneval. Mit unseren ukrainischen Freunden gehen wir rein und schauen uns die Parade an. Es ist alles schon sehr opulent, farbenreich und phantasievoll.


Das ist Mr. Raubkopie


Alles voll mit Glitzerkonfetti


Die Köpfe dürfen nicht fehlen


Und wieder das ungezogene Balg


LSD-Pferdchen


Und unser Liebling, die Heuschrecke


Ein paar Bösewichte (Bob Marley ist natürlich kein Bösewicht)


Ghostbusters mit Papierrollen


Ein Mann - eine Orgel

Der vierte Freitag: Oper, Schwulen und Lesbenkarneval

In der Oper von Nizza tritt Neeme Järvi, ein estnischer Dirigent auf, was wir als Anlass nehmen, hinzugehen.


Die Oper ist nicht allzu gross und könnte Renovierung vertragen.


Die Strassenleuchten an der Oper sind von Gustav Eiffel, da übte er noch, wie man schöne Sachen aus Eisen bauen kann

Danach besuchen wir eine Weltpremiere: Das erste Schwulen- und Lesbenkarneval in Nizza! Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass die Leute wirklich feiern. Die Wägen sind viel kleiner, aber die Stimmung definitiv besser und auch viele Besucher sind verkleidet.


Ganz viele Conchitas

Der vierte Samstag: Stadtführung, Bataille de Flurs

Nizza macht sehr viel für Tourismus. Jeden Tag gibt es Stadtführungen, die fünf Euro kosten, leider aber auf französisch. Ich etwas Phantasie, Vorkenntnissen und ins Ohr flüsternden Freundin habe ich doch recht viel verstanden. Wir besuchen eine Kirche, wo aus der Kanzel eine Hand rauswächst, die den Kruzifix hält, dadurch kann sich der Pfarrer auf die Predigt konzentrieren.

Nach der Führung besuchen wir ein Eis-Salon in dem es solche ausgefallenen Sorten wie Tomate-Basilikum, Bier, Avocado oder Rosmarin gibt. Mein Favorit ist Oliveneis.

Endlich kommen wir auch zu einer Bataile de Fleur. Es ist die letzte, deswegen werfen die Mädels Blumen von den Wägen, die von den gierigen Zuschauern aufgefangen werden. Konfetti und unvermeidlichen Sprühdosen sind natürlich auch mit von der Partie.

Der vierte Sonntag: St. Paul de Vence, Königverbrennung

Wir fahren nach Vence. Busfahren in Frankreich ist auch eine eigene Erfahrung. Einerseits ist man höflich zu dem Fahrer, andererseits können hinten Jugendliche irgendwelche Musik ohne Kopfhörer laut aufdrehen und kein Mensch, am wenigsten der Fahrer selbst, sagt zu ihnen irgendetwas. Sehr angenervt stiegen wir aus und latschten zu der einzigen Sehenswürdigkeit in Vence, einer Kirche, die von Matisse gestaltet worden ist. Leider ist sie geschlossen, so dass wir nur von aussen einen Blick erhaschen können.


Rathaus von Vence

Wir setzten uns wieder in den Bus und fuhren zurück nach St. Paul de Vence, einem Künstlerdorf, das im Sommer wohl mit hunderttausenden Touristen besucht wird. Die engen Strässchen waren jetzt schon klaustrophobisch, der Gedanke, sie mit hunderten anderen teilen zu müssen, war recht beunruhigend.

So gut wie jedes Geschäft war eine Galerie, also insgesamt mehrere dutzend, die alles mögliche verkauften, was unter dem Label moderne Kunst läuft. Wir liefen an den ganzen Geschäften ohne die geringste Verlockung reinzugehen vorbei und gehen zum Grab von Marc Chagall, der am Dorffriedhof beerdigt ist.


Nach der alten jüdischen Sitte liegen auf dem Grab Steinchen, auf manchen ist auf Russisch geschrieben: Шагал, мы тебя любим (Chagall, wir lieben Dich).

Etwas abseits des Dorfes befindet sich Fondation Maeght, also eine private Kunstsammlung, die sich Sammeln und Ausstellen von modernen Kunst verschrieben hat.

Sehr hübsches Gelände, die Höhepunkte der Aktionen, die auf diesem Gelände stattgefunden haben, liegen aber schon ein paar Jahre zurück. Die ursprünglichen Besitzer sind vor ein paar Jahren gestorben, so dass die Arbeit in ihrem Sinne fortgeführt wird, aber die persönliche Kontakte zu den Künstlern der Moderne scheinen nicht so stark zu sein, so dass es viele Retrospektiven von Künstlern, wie Jörg Immendorf, Giacometti, Miro, Henry Moore gibt, aber wenn man berühmte Künstler sehen möchte, die jetzt modern sind, geht man lieber nach London in die Tate Gallery Modern.

Wir fahren nach Hause, sind zu einem Kollegen nach Hause eingeladen, die Mietpreise sind erheblich niedriger als in Paris, denn so einen Schloss wie in Nizza, hätte er sich mit dem Ingeneurgehalt nie und nimmer leisten können. Heute ist der Karnevalabschluss, der König soll verbrannt werden. Das ganze soll auf dem Meer stattfinden, aber als wir dort ankommen, sehen wir nur ein fantastisches Feuerwerk und keine Spur vom König. In den Zeitungen sehen wir dann unscharfe Photos von einem Boot an dem die Verbrennung stattgefunden sein soll, aber was da genau verbrannt wurde, haben wir nicht verstanden, es soll auch recht schnell vorbei gewesen sein.

Der fünfte Mittwoch: Grasse

Ganz Grasse ist in der Hand von Fragonard, dem Parfümhersteller. Wobei Fragonard hat sich recht diversifiziert, es gibt auch Fragonard-Kleidung, Fragonard-Möbel und Fragonard-duftende Postkarten, also insgesamt acht Läden, an denen ein Tourist unmöglich vorbeigehen kann. Eigentlich war Fragonard ein französischer Maler, der in Rokoko-Stil malte, also viele Engel, rundliche Frauen in weiten Kleidern und Pastell-Farben, mit Vögelchen, die an ihren Lippen naschen. Die Besitzer der Parfümeriefabrik haben sich entschieden, dass wenn diese Bilder riechen würden, dann nach einem süßlichen Jasmin und Mimosen-Parfüm, also benannten sie ihre Fabrik nach dem Maler.

Es gibt eine Fabrikführung, die natürlich im Firmenshop endet. Die Preise sind so gestaffelt, dass selbst arme Schüler, die mit der Klasse herkommen, ein kleines Fläschchen für ihre Mutti kaufen können, die sie dann wohl irgendwohin verschwinden lässt. Die großen Flaschen für die zahlungskräftigere Kundschaft kosten viel mehr.


Die wahren Supernasen, die Parfüms zusammenmixen

Ansonsten ist in Grasse recht tote Hose, angeblich die Arbeitslosigkeit recht hoch. Mit mehreren Parfümmitbringseln bepackt, fahren wir recht schnell wieder nach Hause.


Eine Partei ist bereit

Der fünfte Donnerstag: Wanderung um den Cap Verrat

Zwischen Monaco und Nizza liegt das Cap Ferrat, eine schmale Halbinsel, die man an einem Nachmittag bequem umwandern kann, es sind ungefähr 10km Fußweg. Teilweise sind Villen zwischen dem Wanderer und dem See, aber die meiste Zeit kann man den Meerblick ungestört geniessen.

Das ist Villa Grecque Kérylos. Wurde von einem jüdischen Bankier im altgriechischen Stil erbaut, ist jetzt ein Museum. Auf dem Cap Ferrat selbst befindet sich Villa Ephrussi de Rothschild. Beatrice, die Tochter des Frankfurter jüdischen Bankiers Alphonse de Rothschild heiratete 1883 einen Russen aus Paris Maurice Ephrussi, der jedoch schnell Schulden durch Spielen angehäuft hat, was dem Vater von Beatrice überhaupt nicht gefallen hat. Sie erwirkte eine Scheidung, der Vater starb und mit seinem Vermögen wurde dann die Villa gebaut.


Die Werbung für Bierfest in Frankreich sieht für Deutsche recht seltsam aus

Noch gibt es auf Cap Ferrat eine Kirche mit einer riesigen Madonna-Statue, Votivaltaren und blutrünstigen Heiligen-Statuen


Sieht nach Lavagestein aus


Wir sind an der Spitze des Caps, wo der Leuchtturm die Einfahrt in den Hafen von Nizza zeigt

Der Rückweg führt an kleinen, versteckten Badebuchten vorbei, von wo der süßliche Marihuanna-Geruch emporsteigt.

Der fünfte Freitag: Cannes und Antikes

Ich möchte nach Cannes, an die Stadt habe ich noch recht gute Erinnerungen von der Radtour.


Eine Werbung im Congress-Zentrum von Cannes. Jeder möchte Skype für sich beanspruchen


So sieht Cannes noch am nettesten aus, ansonsten gibt es hier nicht viel zu tun oder zu besichtigen. Die Promenade ist recht klein, der halbe Strand ist wegen irgendeiner Veranstaltung abgesperrt.


Wenigstens eine Referenz an die berühmten Filmfestspiele

Nach zwei Stunden spazieren, setzen wir uns in den Bus und fahren nach Antipes. Da gibt es wiedermal ein Museum für moderne Kunst, es ist Picasso gewidmet, es gibt eine grosse Ausstellung der Teller, die er bemalt hat und ein paar symbolische Trümmer.

Der fünfte Samstag: Nizza

In so ziemlich jedem Provence-Reiseführer wird von Boullabaisse geschwärmt, einer Fischsuppe, die recht aufwändig zu kochen ist, dafür aber unvergesslich schmecken soll. Ich kann den Beschreibungen nicht widerstehen und bestelle mir ein Teller Boullabaisse in einem Fischrestaurant für recht teueres Geld. Nach langem Warten bekomme ich eine salzige braune Brühe in der Fischstücke rumliegen, ausserdem eine Knoblauchsauce und Brotscheiben. Ich fühle mich wie ein Japaner im Hofbräuhaus mit bestellten Weißwürsten. Schmecken tut es überhaupt nicht. Also Finger weg von Boullabaisse in Nizza, versucht es lieber in Marseille.

Der fünfte Sonntag: Abflug

Ich fahre früh zum Flughafen, die Arbeit drängt. In München ist das Wetter schon viel besser, es ist bayerischer Frühling, aber trotzdem bleibt mir der Nizza-Urlaub noch lange in bester Erinnerung.