Montag, 10. Januar 2011

Silvester in Bratislava

Nach der guten alten Tradition des Silvesterfeierns möglichst weit von den heimischen vier Wänden haben wir uns dieses Jahr für Bratislava entschieden. Warum Bratislava? Nachdem Istanbul ausgebucht war und Alternativziele wie Beirut oder Baku sich als wenig realistisch herausgestellt haben, haben wir uns für Bratislava entschieden. Ist nicht weit weg, keiner war jemals dort und wissen tut man über die ehemalige Pressburg recht wenig. Ich war fester Überzeugung, dass Slowaken noch Kronen haben, doch wurden wir mit Euros empfangen. Meine russischen Freunde kannten Bratislava vor allem aus zwei Filmen Eurotrip, in dem doofe amerikanische Backpacker in Bratislava für $1,38 ein 5-Gänge Menü bekommen und Hostel, wo doofe amerikanische Backpacker von blutrünstigen Slowaken zu bratislavischen Fleischspezialitäten verarbeitet werden. Angeblich drehte auch Kusturica in Bratislava, aber keiner weiss welche Filme. Was die obengenannte Filme angeht, so sind die Klischees als billiges Backpackerparadies schon passé, für $1,38 bekommt man mit viel Glück einen Hamburger bei McDonalds und die meisten Übernachtungsmöglichkeiten sind 50 EUR / Nacht aufwärts. Die Ausnahme von der Regel ist das Hostel Kyjev, das 70er Jahre Sozialismus-charme versprühendes 15-stöckiges Gebäude mit einem Trabi im Eingangsbereich und extrem billigen Frühstücken. Im Reiseführer über Slowakei wird Bratislava 5 Seiten gewidmet, es gibt aber österreichische Reiseführer nur über Bratislava, die, wie wir herausgefunden haben, recht fehlerhaft sind.

Ankunft

In Bratislava kamen wir mit dem Zug aus Wien an. Wien ist eine Stunde entfernt, Der Bahnhof ist wie eigentlich alle osteuropäische Bahnhöfe, man könnte sich auch in Polen oder baltischen Staaten meinen, als man den Zug verlassen hat.



Bibbernd vor Kälte, nicht ohne uns vorher verlaufen zu haben, erreichten wir dann unser Film-Hotel, wir wohnten in Julia Roberts Zimmer, unser Begleiter in Tom Hanks.

Erster Eindruck

Bratislava ist eine 500.000 Leute Hauptstadt, eigentlich sollte man dazu schon Metropole sagen, doch in diesem Fall ist es doch etwas zu hoch gegriffen.



Es sind viele Wolkenkratzer gebaut worden, bei manchen hat man den Eindruck, dass die gesamte Bevölkerung Bratislavas bequem Platz darin gefunden hätte. Das interessanteste Gebäude ist der slowakische Rundfunk, das eine eiserne auf dem Kopf stehende Pyramide ist. Auf den Strassen war recht wenig Verkehr (vielleicht wegen den Feiertagen), aber pulsierendes Leben einer Hauptstadt ist hier nicht zu spüren. Eine imposante Erscheinung ist die Burg, die in den 60-er Jahren gebaut wurde, laut Reiseführer sieht sie aus wie ein umgedrehtes Ehebett, doch für uns sah es aus einfach wie ein riesiges Ehebett mit 4 Türmchen an den Ecken.



Die Burg ist übrigens leer bis auf eine kleine Ausstellung. Die Altstadt ist recht gross, doch viele Häuser noch nicht restauriert, so dass die Erscheinung etwas uneinheitlich ist. Überall stehen Messing-Statuen von Menschen rum, einer schaut aus der Kanalisation heraus und freut sich sichtlich, wenn Passanten über ihn stolpern.

Die Sprache

Slowakisch wurde laut dem Fremdenführer dadurch gebildet, dass eines Tages ein Dialekt von einem Vorort einer unbekannten Stadt zu einer eigenen Sprache erklärt wurde. Die Sprache ist dem Russischen sehr ähnlich, auf jeden Fall einfacher zu verstehen und zu sprechen als Polnisch. Slowakei war teil der Österreich-Ungarischen Monarchie, Verhältnis von deutsch-sprechenden Touristen zu allen anderen ist ca. 50-50, also sollte man eigentlich denken, dass recht viele Leute Deutsch sprechen und verstehen würden. Doch offenbar sind alle deutsch-verstehenden Slowaken längst in Wien, denn ausser ein paar Kellnern, sprach keiner deutsch, englisch war auch nicht jedermanns Sache, selbst in der Touristeninformation verständigte man sich teilweise mit Händen und Füssen.

Die Geschichte

Wie wir aus einem Kinderbuch erfuhren, gab es wohl ein grossmährisches Reich. Irgendwann fielen die Türken nach Ungarn ein und die ungarische Hauptstadt wurde nach Bratislava verlegt. Der zu krönende Prinz musste komplizierte Umwege in der Altstadt laufen, bis er endlich gekrönt war, setzte sich auf sein Pferd und sah Bratislava nie wieder. Es gab ein paar nationale Volkshelden, die allesamt tragisch geendigt haben. Ausserdem trieb die Gräfin Bathory ihr Unwesen, aus irgendeinem Grund mochte sie keine Jungfrauen und verarbeitete sie zu bratislavischen Fleischspezialitäten (evtl. Inspiration für Hostel). Napoleon zerstörte die Burg und unterzeichnete im Rathaus den Frieden mit Österreich-Ungarn, nachdem bei der Schlacht von Austerlitz die russischen, preussischen und österreichischen Armeen ordentlich vermöbelt wurden. Nach den Wirren der 1850er Jahre wuchs und gedeihte Pressburg als ordentliche k.u.k Stadt mit der slowakischen, jüdischen, deutschen Bevölkerung, die Wiener fuhren zum Heurigen dorthin, die Pressburger fuhren in die Oper nach Wien und umgekehrt. Im zweiten Weltkrieg hat Slowakei auf der Seite von den Achsenmächten ihr Territorium als judenfrei gemeldet, doch 1944 kam das Erwachen und ein Aufstand. Schliesslich wurde Anfang 1945 Bratislava von der Roten Armee eingenommen, die deutsche Bevölkerung wurde vertrieben, 1949 wurde Slowakei sozialistisch, 1990 kapitalistisch, 2003 EUropäisch und 2009 sogar EUROpäisch. Sonst ist nicht viel passiert. Selbst nach Studium von Wikipedia und Fremdenführer, habe ich mich an keinen berühmten Slowaken weder in der Kunst, noch in Literatur, noch in der Wissenschaft, noch in der Politik, noch im Sport erinnert. Einige Sympathien verdiente sich die slowakische Fussballmannschaft bei der WM 2010, als sie die Italiener rauskickten.

Das Essen

Slowakische Küche vereint in sich österreichische, ungarische und böhmische Elemente und zwar die gehaltvollen Teile. Sehr gut schmeckt die Knoblauchsuppe in Brotkruste, als zweiter Gang ist Gulasch oder Schnitzel zu empfehlen und als Nachtisch Palatschinken oder Mohnudeln. Sehr gut sind Kuchen oder heisse Schokolade in den drei Cafés am Hauptplatz, auch wegen der jugendstilhaften Interniere ist ein Besuch sehr zu empfehlen. Etwas nervig sind die Geiger, die in jedem touristischen Keller-Restaurant spielen. Slowaken haben ganz guten Wein und trockenen Hubert-Sekt.

Der erste Tag

Zuerst gehen wir den Präsidentenpalast anschauen. Zuerst müssen wir lange überlegen, wer der Präsident von Slowakei ist. Das Palais wird von zwei Husaren bewacht, also gehen wir in den Garten, von dem man über die Glasscheibe das Fuhrpark des Präsidenten bewundert werden kann. Das Gerücht, dass der Präsident mit einem Ford Ka fährt bestätigt sich teilweise. Dass Slowakei keine hohen Steuern erhebt sieht man am Zustand des Gartens, ein paar Häuser, die dort angrenzen, gehören dringend gestrichen oder abgerissen.

Der Stadtführer empfiehlt mehrere Spaziergänge, also beschliessen wir die Bauhaus-Architektur auf den Hügeln rund um Bratislava uns anzuschauen. Also klettern wir auf die Hügel und schauen uns die Villen an, die teilweise Botschaften sind (Bratislava ist bestimmt C-Location für Botschafter, wobei C für Chill steht), andere gehören slowakischen Bonzen und Briefkastenfirmen. In keiner anderen Stadt habe ich so viele schmale Briefkästen mit phantasievollen Namen von Beratungs-, Consulting- und Joint Venture Firmen auf blankpoliertem Messing gesehen.



Ganz oben ist das Denkmal für die gefallenen sowjetischen Soldaten und eine Kopie des Weissen Hauses, in dem G.W. Bush schon mal übernachtete und sich wohl wie zu Hause fühlte, wenn es nur den riesigen lauten Nachbarshund nicht gäbe. Nach dem Besuch des etwas verwilderten protestantischen Friedhofes, wo ein Grabsteinwackler dringend notwendig wäre, damit die alten Omas nicht von runterfallenden Grabsteinen erschlagen werden, schauten wir uns die halbleere Burg an.

Der zweite Tag, Silvesterfeier

Versuch den Krönungsweg nachzugehen, als Orientierung sollten die kleinen Kronen auf dem Weg als Richtungsweiser dienen, nur teilweise erfolgreich. Besuch im Haus des Buches, dem wohl größten Bücherladen in Bratislava. Leichtes Entsetzen beim Durchschauen des Regals mit den Geschichtsbüchern. Viktor Suvorov, der von der Süddeutschen Zeitung als Holokaustleugner bezeichnet wurde, steht mit mind. 10 Büchern in der obersten Reihe. Darunter mehrteilige Biographien von Goebbels, viele Bücher über Hitler, SS und andere NS-Organizationen. Bei den fremdsprachigen Büchern fällt das Buch eines russischen in Bratislava lebenden Schriftstellers auf, der schon auf der ersten Seite bedauert, dass Sowjetunion nicht ganzes Europa nach dem 2. WW besetzt hat.

Ab 17.00 Uhr geht das Silvesterkonzert auf der Bühne am Hauptplatz los. Leider verpassen wir viele Auftritte, in Erinnerung bleibt der Auftritt der Pressburger Klezmer Band. Ist auf jeden Fall ein Statement, so eine Band als Headliner auftreten zu lassen, die die verlorene jiddische Kultur an einem Silvesterabend aufleben lässt.





Über der Donau werden Tausende Lampions steigen gelassen und pünktlich um 24.00 geht das Feuerwerk los. Leider ist es so neblig, dass nach den ersten Schüssen nur eine Rauchwolke zu sehen ist, die sich manchmal grün, manchmal blau und selten rot verfärbt. Wir schlürfen den Sekt und tanzen bis 2 Uhr nachts auf der Strasse mit ausgeflippten Slowaken. War bisher die beste von von einer Stadt organisierte Feier.

Der dritte Tag

Die Slowaken feiern ihre Unabhängigkeit von den Tschechen im Jahr 1993. Uns wird angedroht, dass alles in der Stadt geschlossen ist, deswegen fahren wir nach Devin Castle, eine von Napoleon zerstörte Burg an dem Zusammenschluss von Donau und Morave.





Sehr imposante Erscheinung auf einem hohen Hügel, die für Slowaken ein Ort der nationalen Identität darstellt. Entsprechend viele Schülergruppen waren dort ungeachtet des Feiertages.

Der vierte Tag

Tag der Abreise, deswegen nur ein Kurzausflug in noch nicht erforschte Stadtgebiete.







Eine sehr schöne Elizabeth-Kirche, die im Jugendstil erbaut wurde und innen und aussen wie eine Wolke aussieht. Schneller Kaffee am Bahnhof und der Zug fährt uns zurück nach Wien und von dort nach München.

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