Samstag, 11. August 2012

Pura Vida in der grünen Hölle

"Wir fahren nach Costa-Rica", sagte meine Freundin. "Aber das wird ernst, da darf man kein Wasser aus dem Hahn trinken, keine Fingernägel abbeissen, sich immer die Hände abwischen und immer nach dem Essen Zähne putzen. Ausserdem gibt es dort MALARIA und viele Viecher, vor allem SCHLANGEN! Aber es gibt dort aktive Vulkane und dort wachsen Bananen und Ananas, da kannst Du endlich das Ossi-Trauma von Bananenknappheit loswerden." "Aber wir wollten doch nach Guadeloupe" - sagte ich unsicher. "Das können wir immer noch machen, wenn wir Kinder haben", entgegnete sie forsch. "Costa Rica muss man noch ohne Kinder machen, ich habe jetzt schon Angst. Ab zum Arzt, überprüfe Deine Impfungen und hole Malaria Tabletten, wenn Du keine Zeit hast, kaufe ich Dir die Regenhosen".

"Costa Rica, ein wunderschönes Land, die Schweiz Mittelamerikas", erzählt mir mein Arzt verträumt. "Es gibt zwei Meinungen, wie man mit Malaria-Profilaxe umgehen soll. Die WHO sagt, man muss die Malaria-Tabletten vier Wochen vor dem Urlaub und zwei Wochen nach dem Urlaub einnehmen. Das deutsche Institut für Tropenkrankheiten sagt, nehmen Sie eine hohe Dosis ein, wenn Sie die Symptome verspüren. Aber nehmen Sie Klebeband mit, damit können Sie undichte Stellen im Mückennetz abkleben und das Netz darf nicht zu locker hängen, es ist zwar romantisch, aber beim Schlafen rollt man unbeabsichtigt dagegen und die Mücken können einen immer noch durchs Netz stechen. Viel Spass beim Reisen".

"Ich fahre nach Costa Rica in den Urlaub", erzähle ich meinen Arbeitskollegen. "Oh, da war ich schon, aber es hat mir nicht gefallen, Schweiz von Mittelamerika, viel zu zivilisiert. Aber wenn Du in den Regenwald gehst, da müsst ihr euch abends ausziehen und gegenseitig entlausen, da gibt es kleine Mistviecher, die in jede Hautfalte reinkriechen, vor allem in die Po-Ritze, das müsst ihr gegenseitig überprüfen", sagt mir der eine Kollege, der normalerweise auf eigene Faust durch Iran und Uzbekistan sich durchschlägt. Ich stelle mir kurz vor meinem innerem Auge vor, wie die Marco Polo Reisende sich gegenseitig in die Po-Ritze reinschauen. "Oh, da war ich vor fünf Wochen, mein Sohn machte dort Schüleraustausch. Wunderschönes Land, die Schweiz Mittelamerikas, so ein bisschen wie ärmere Regionen Spaniens. Aber nimm ja nichts aus Baumwolle mit, das schwitzt Du sofort durch und kriegst es nie wieder trocken", freut sich Kollege Nummer zwei. "Aber ich habe nur T-Shirts aus Baumwolle, was soll ich jetzt machen?" "Am besten Du läufst sofort in den Laden und kaufst kreischbunte Radfahrershirts, die leiten den Schweiss sofort von der Haut." "Viel Spass auf der Insel", wünscht mir der Dritte. "Costa Rica ist keine Insel, es ist ein Land in Mittelamerika, hat die Größe der Schweiz und grenzt an Nicaragua im Norden und Panama in Süden" - ich fühle mich schlau. "Es hat 4,6 Mio. Einwohner, die Hauptstadt heisst San Jose, man fliegt dorthin 15 Stunden mit Zwischenlandung in St.Domenico. Die Haupteinnahmequelle ist Tourismus, danach kommt Mikroelektronik, weil Intel aus irgendwelchen Gründen eine Fabrik in Costa Rica gebaut hat und dann Bananen und Ananasexport, wobei sie da weltführend sind. Ausserdem ist es eins der regenreichsten Ländern auf der Welt". "Oh, toll, Costa Rica. Nimmst Du mich mit?", macht mir schöne Augen eine Kollegin, als sie mich mit Rücksack aus dem Office schlappen sieht.


Fünf Stunden später bin ich in Frankfurt und checke mein Gepäck ein. Wir werden von einem Cyborg begrüßt.

Gewohnheitsmäßig sucht man nach Mitreisenden. "Denn am Marco Polo Badge erkennt man sie" und tatsächlich ist die Gruppe recht schnell beisammen. Wir sind viele, ganze 25 Leute, viele blonde und blondgefärbte Frauen angefangen von Verträumten, die Bücher wie "Der Mädchenfänger" lesen, bis zu Arschgeweihträgerin. Die Lehrerfraktion ist stark vertreten, neu für mich ist die VW-Fraktion, die Werksferien geniesst. Die Schweiz hat zwei entgegengesetzte Charaktere beigesteuert, einen partysüchtigen Eventmanager und eine, die behauptet, noch nie betrunken gewesen zu sein, weil sie keine Kontrolle abgeben möchte. Auch die Österreich-Fraktion war mit drei Leuten gut besetzt. An dieser Stelle noch einen herzlichen Gruss an Vanessa, die für jeden verlausten Strassenköter Costa Ricas eine Portion Streicheleinheiten übrig hatte.

Wir fliegen mit Condor und ich stelle fest, dass ich auf meinen bisherigen Fernreisen verwöhnt worden bin. Der Begriff "Holzklasse" wurde umdefiniert, Entertainment-Anlage in der Rückenlehne ist nicht, kleine Bildschirme für mehrere, wenn man aufsteht, wird man böse angeschaut, weil man die Sicht zum Schirm versperrt. Die Kopfhörer sind richtig übel. Aber immerhin gibt es viel zu trinken und ein Film ist richtig nett. Drei Stunden Zwischenlandung in der DomRep und nach zwei weiteren Stunden Flug ist man endlich angekommen. Vor der Passkontrolle gibt ein Polizist Faltblätter aus, was man in Costa-Rica beachten sollte. Das wäre:
- Dein Pass ist wertvoll. Trage es immer bei Dir
- Nutze nur Geldautomaten, die in gut beleuchteten und öffentlichen Orten stehen
- Nutze nur zertifizierte Taxi-Services, die einen funktionierenden Kilometerzähler haben
- Beim Spazierengehen, versichere Dich nur in gut beleuchteten und gut besuchten Orten unterwegs zu sein
- Sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen ist strafbar
- Die Sachen im Bus können gestohlen werden

Grm, zwischen der Schweiz Mittelamerikas und der europäischen Schweiz gibt es doch gewaltige Unterschiede, in Genf bekomme ich so ein Faltblatt eher nicht.

Tag 1: Die Reiseleiterin Sabine tritt in unser Leben. Sabine lebt seit mind. 14 Jahren in Costa Rica, studierte hier Biologie und ist mit der Natur verheiratet. Sie war das Weibchen von Klammeraffenmännchen, Freundin von Kakadu, rettete Großwildkatzen vor Ameiseninvasion, trifft beim Schiessen immer ins Schwarze, kann schlimme Ereignisse vorhersehen und muss die Telefonnummern von halb Costa-Rica in ihrem Handy gespeichert haben, denn es ist schier unglaublich, was sie organisieren kann. Vortragsstil von Sabine ist der einen mongolischen Reiters: "Was ich gerade sehe, darüber ich jetzt singe", was am Anfang für einige Irritationen sorgte. Dabei unterscheidet Sabine haarscharf zwischen "wir Costa-Ricaner hier" und "ihr Europäer dort". Der erste Hinweis wie ernst der Umweltschutz in Costa-Rica genommen wird, wir bekamen Trinkflaschen aus Plastik, das sich nach 2-3 Jahren zersetzt, uns wurde nahegelegt die Flaschen immer beim Busfahrer nachfüllen zu lassen. Ob genau diese Flaschen Weichmacher in Trinkwasser freisetzen der angeblich krebserregend und impotenzfördernd sind? So genau wollen wir das auch nicht wissen.


Kaffeeplantage


Kaffeebohnen

Wir fahren hoch zum Vulkan Poás. Halt an einer Kaffee-Plantage, wo ich den ersten costa-ricanischen Kaffee zu trinken bekomme. Bin eigentlich kein Kaffee-Trinker, man kann sich aber daran gewöhnen.


Poás ist in der Nebelzone, wir stehen am Kraterrand und versuchen den weissen Adler auf dem weissen Hintergrund den See im Krater zu sehen, der aber komplett von Wolken gefüllt ist. Runtersteigen ist nicht, das ist nur was für erfahrene Vulkanologen. Also spazieren wir durch den Nebelwald und sammeln unsere erste Dschungel-Erfahrung.


Am Ausgangspunkt angelangt, kommt die Nachricht, dass der Krater genau jetzt wolkenfrei ist, also stürmen die fitteren nochmal hinauf und tatsächlich können ein paar Photos vom See geschossen werden.

Abends sind wir wieder in der Hauptstadt und gehen ins Goldmuseum. Das Goldmuseum ist eine in die Erde eingegrabene umgedrehte Pyramide, der Eingang ist mit meterdicken Stahltüren abgesichert.


Drinnen kann eine recht eindrucksvolle Sammlung von Goldgegenständen der Indios besichtigt werden.


Gold war für die Indios nur ein weiteres Metal, um daraus glänzende Schmuckstücke zu fertigen, die eigentliche Währung waren die Kakaobohnen. Die heutige Währung sind übrigens Colones, man kann aber auch überall mit US-Dollar zahlen und bekommt ihn sogar manchmal am Geldautomaten. Vorbild für Griechenland?

Das erste was am San Jose auffällt ist der NATO-Stacheldraht mit dem alle Zäune abgesichert sind, die vergitterten Fenster und die abenteuerlichen Stromleitungen. Laut Sabine ist das Sicherheitsbedürfnis der Ticos (so nennen sich die Costa Ricaner) übersteigert, doch wurde uns von ihr nahegelegt, möglichst vor Einbruch der Dunkelheit, also vor 18 Uhr im Hotel zu sein und ansonsten Taxi zu nehmen, Geld möglichst am Körper tragen und nur so viel nehmen, wie unbedingt notwendig. Wir folgen diesem Rat und machen nur einen kurzen Abstecher in die Fußgängerzone.


Die Stadt ist, wie es sich für eine lateinamerikanische Stadt gehört, laut, chaotisch und stickig, aber recht sauber. Die Laden- und die Strassenverkäufer konkurrieren um die prägnanteste Stimme, die Papageien kreischen, im Verkehr gilt: der Frechere gewinnt.


Nationaltheater, eins der älteren Gebäuden in San Jose


Platz der Unabhängigkeit


Katholische Kirche und der Baum mit lauten Papageien daneben


Eher ungewöhnliche Architektur

Wir besuchen ein paar Kirchen und gehen früh zu Bett. Denn eins gilt in Costa Rica: Es wird sehr früh aufgestanden, denn es wird früh hell und früh dunkel.

Tag 2: Fahrt nach Tortuguero an der atlantischen Küste im Norden des Landes. Unterwegs halten wir für den zweiten Frühstück an. Uns wird die Nationalspeise serviert, die wir fast bis zum Ende der Reise zum Frühstücken, zum Mittagessen und zum Abendessen bekommen werden: Reis & Bohnen. Es ist schwer Gourmet in Costa Rica zu sein, es sei denn man ist R&B-Fetischist, es gibt viele verschiedene Sorten und Zutaten, die beigemischt werden können. Interessanterweise werden Bohnen und Reis in Costa Rica angebaut, sind aber alles andere als einheimisch, die Kartoffel hingegen, die der olle Columbus von hier nach Europa brachte, wird auch angebaut, aber viel seltener als Zutat verwendet. Was die anderen Früchte angeht, die Superbanane habe ich nicht gefunden, schmecken genauso wie hier, die Ananas hat eher noch mehr Fruchtsäure, was in Kombination mit Kaffee Magenübersäuerung mit entsprechenden Folgen verursachen kann, die reife Papaya ist Geschmacksache. Zum Frühstück wird noch gerne Omelett gegessen.


Frisch geschlüpfter Schmetterling






Kurzer Besuch im Schmetterlingsgarten und weiter geht es mit dem Bus an Bananen- und Ananasplantagen vorbei.


LKW auf der Panamericana


Wer mehr über die Geschichte wissen möchte, wie die Plantagen entstanden sind und mit wessen Knochen diese Plantagen gedüngt wurden, dem sei das Buch "Die grüne Hölle" von Carlos Luis Fallas empfohlen.

Ein interessanter Fakt für die heimischen Ananaszüchter ist, dass eine Ananas gestresst werden muss, damit die Frucht überhaupt zu wachsen anfängt. Also besprüht euren Ananasbusch mit CO2, schiebt es in der Wohnung rum, spielt ihm Justice vor, nimmt es zu einem Dortmund-Schalke Fussballspiel.


In den blauen Säcken sind Bananenstauden drin

Tortuguero ist Wetland, also so richtig nass. Kein Auto kommt zu den Dörfern und Hotels durch, also wird das gesamte Proviant und Baumaterial per Boot transportiert.


Wir steigen auch in ein Boot und fahren im braunen Wasser am Regenwald vorbei zu unserem Hotel.




Ein Halt im Dörfchen Tortuguero, das sich komplett auf Tourismus spezialisiert hat.


Die Mode der Saison


Ein typisches Haus in Tortuguero

Unser Hotel liegt an der Karibikküste, doch von der Atmosphäre, wie sie in "Raffaelo ohne Schokolade" verbreitet wird, ist der Strand sehr entfernt.



Eher hat man das Gefühl, das letzte Hurrikan ist vor zwei Stunden vorbeigerauscht. Man kann zwar ins Wasser gehen, aber die Wellen sind hoch und reissen einen mit in den Ozean. Grosse Baumstämme werden ans Ufer gespült, insgesamt recht viel hingespültes Müll an dem wilden Strand. Wir schnappen uns Kanoes und Kajaks und paddeln auf den Kanälen. Für recht viele ist es das erste Mal, also kentert ein Kanoe als alle in dieselbe Richtung schauen, zum Glück ist das Wasser brusttief. Viel schlimmer erwischt es meine Freundin, als sie einem Kaimanen (kleinen) ins Auge blickt und sich nicht mehr am Ende der Nahrungskette fühlt (ich hatte das Gefühl mal als ein kleines Kind, als mich ein Panter im Zoo fressen wollte). Ich paddele auf dem Kajak und versuche irgendwelche Tiere zu erspähen, das einzige was ich zu sehen bekomme, sind Weisskapuzineraffen, die hoch in den Bäumen turnen.

Aber auch ohne die Tiere bekomme ich eine Vorstellung was für ein wahnsinnig vielfältiges Ökosystem der Regenwald und die Wetlands insbesonders darstellen. Die "Rettet den Regenwald"-Aufrufe, die man in Deutschland schon sarkastisch benutzt, bekommen vor Ort eine ganz neue Bedeutung. Was passiert eigentlich mit dem Regenwald, den Kronbacher & Co Meter für Meter, Kasten für Kasten aufkaufen? Nun, diese Gebiete werden zu Naturschutzparks und damit für sie gesorgt werden kann, werden Eintrittspreise von Besuchern verlangt. Laut Sabine ist es in Costa Rica noch nie vorgekommen, dass einmal ausgewiesener Nationalpark wieder in nutzbare Fläche umgewandelt wurde. Die Costa Ricaner selbst sind (inzwischen) sehr stolz auf ihre Natur, ihre Nationalparks, im Fernsehen laufen ständig Tierdokumentationen und Biologie ist ein beliebter Studiengang. Es gibt noch eine Menge zu erforschen, alleine die bekannten Arten werden auf 30.000 geschätzt (in Deutschland ca. 3000) und jährlich kommen neue hinzu.

Tag 3: Wir steigen auf ein motorisiertes Bötchen mit einem Einheimischen als Kapitän und auf den ersten zehn Metern erspäht er mehr Tiere, als ich während der gesamten Kajaktour den Tag zuvor.


Tarnung ist die beste Verteidigung und man muss gleichzeitig nach links, nach rechts, hoch in die Gipfel, rein ins Wasser, in die Nähe und in die Ferne schauen, denn man weiß ja nie, was für ein Tier einen erwartet. Wir schauen alle angestrengt, aber eher nach dem Motto "Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn".


Kleine Echse in der Sonne


Basilisk auf dem Ast


Irgendein seltener Vogel


El Caimano


Leguan


Die hätten wir eigentlich alle sehen sollen (ausser Jaguar vielleicht)

Ein Linguist findet in dem Wort Tortuguero sofort das Wort Tortuga, also Schildkröte. Und zwar eine Meeresschildkröte. Denn hierher kommen nachts die Meeresschildkröten, um ihre Eier abzulegen. Und das kann man beobachten. Der Prozess ist so geregelt, dass die Einheimischen Lizenzen haben, den Touris die eierlegenden Schildkröten zu zeigen, aber nur wenn sie die Erlaubnis von Naturschutzpark-Wächtern dazu bekommen. Jede Gruppe hat einen eigenen Strandsektor und muss warten, bis eine Schildkröte diesen Sektor ansteuert und die Eier zu legen beginnt. Dann darf man möglichst leise sich an die Schildkröte heranschleichen, kein Licht, kein Blitz, kein Photo und beobachten, wie sie die Eier legt. Soweit die Theorie.

Vorhang auf für Ray Brown. Der Einheimische schnappt sich unseren Teil der Gruppe, wir gehen hinter ihm und stehen plötzlich auf einem Flugzeugrollfeld. Ray erzählt auf Englisch, dass er aus Tortuguero stammt und die Meeresschildkröten sein ein und alles ist. Also erzählt er uns über sie. Ein Weibchen paart sich bis zu 28 Stunden mit einem Männchen und sammelt sein Sperma in einem Beutel. Sie hat 12 solche Beutel, paart sich also mit 12 Männchen und wählt dann die besten 3-4 Beutel aus mit denen sie sich befruchtet. Ein Beutel reicht für 130 Eier, die sie pro Landgang legt, also geht sie pro Season 3-4 Mal ans Land. Die restlichen Beutel dienen ihr als Nahrung. Erstmal am Land, fängt die Meeresschildkröte an sich einzugraben, danach gräbt sie ein noch tieferes Loch und beginnt dorthin ihre 130 Eier abzulegen. Währenddessen fällt sie in Trance. Danach wird das Loch zugeschüttet und die Schildkröte wandert ins Meer. Nach 120 Tagen schlüpfen alle kleine Schildkröten aus, krabbeln zum Strand und schwimmen mehrere Tage selbstständig zum Saragossa-Meer. Dort ernähren sie sich und schliessen sich dann dem Rudel an. Mit 30 Jahren sind sie zum ersten Mal geschlechtsreif und finden ihren Weg wieder an denselben Strand. Natürlich ist so ein komplizierter Fortpflanzungsvorgang ein Freudenfest für alle Raubtiere zu See, auf dem Land und in der Luft. Schätzungsweise überlebt nur eine Babyschildkröte von 100 den Weg aus dem Loch zum Saragossa-Meer. Aber auch die weiblichen Schildkröten können Opfer von z.B. Jaguar werden, die den Panzer mit Tatzenschlag knacken können. Aber der größte Feind ist der Mensch. Wegen dem langen Geschlechtsakt glauben die Menschen an potenzsteigernde Wirkung der Eier, das Fleisch ist sehr begehrt, aber der Verzehr ist absolut verboten.

Ray wird von den Ausführungen unterbrochen, weil im Nachbarsektor eine Schildkröte gesichtet wurde, wir rennen entlang dem Rollfeld und durch ein Tor zum Strand. Ich stolpere fast über den riesigen Panzer, die Schildkröte ist gar nicht am Strand, sondern ist viel weiter gekrochen, weil die Flut wohl sehr hoch ist. Jetzt liegt sie im Geäst und versucht ein Loch zu graben. Touristen scharren sich um die Schildkröte, die angestrengt mit den Flossen die Äste und den Sand beiseite schiebt. Ich habe eine Assoziation mit menschlichen Wehen, muss ähnlich anstrengend sein und man will nicht unbedingt, dass man dabei begafft wird. Nach 3-4 Minuten müssen wir raus. Gleich danach kommt die Meldung, dass die Schildkröte ohne die Eier abzulegen wieder ins Wasser zurückgekehrt ist, der Grund war zu astig. Andere Gruppenteilnehmer aus dem anderen Sektor regen sich über die Amis auf, die ihre Kinder nicht unter Kontrolle haben, so dass sie fast auf die Schildkröte zum Reiten aufgesprungen sind. Die fühlte sich natürlich auch gestört und kehrte ins Meer zurück, ohne Eier abzulegen. Etwas fragwürdige Einrichtung ist es schon, wobei früher es wohl noch schlimmer war und die Leute richtige Parties am Strand gefeiert haben.

Tag 4: Wir fahren mit dem Boot zurück zum Bus, da erreicht Sabine die Horrornachricht für jeden Reiseleiter. Eigentlich sollten wir zu den Bribri-Indianern fahren, doch aufgrund der stark gestiegenen Flüsse ist es nicht mehr möglich, also muss schleunigsts was anderes organisiert werden und das an einem Sonntag! Während Sabine hektisch rumtelefoniert, gestehen einige Teilnehmer hinter vorgehaltener Hand, dass es sie nicht sonderlich stört, nicht mit dem Einbaumkanoe durch den Urwald in eine Herberge ohne Strom und warmes Wasser gefahren zu werden, wo der Boden nach Skorpionen und Schlangen abgesucht werden muss. So abenteuerlustig sind sie nun auch wieder nicht. Schliesslich ruft Sabine die Gruppe zusammen und erklärt uns, dass wir die nächsten zwei Tage in einem Yoga-Hotel untergebracht werden. Also fahren wir im strömenden Regen nach Süden und erreichen die hölzernen Bungalows (merke, die meisten Hotels sind aus dem Tropenholz gebaut, das wir in Deutschland meiden sollen) und wunderschönen Garten.


Streichle mich, streichle mich, streichle mich Du Arschloch, streichle mich


Esoterischer Krempel im Yoga-Garten


Götterbaum…


… an dessen Wurzeln man sich anlehnen kann, um die kosmische Energie zu sammeln


Gartenfrosch

Die schweizer Besitzerin Jacqueline mustert uns misstrauisch, wir sehen alles andere aus als Yogis, aber wir sind die einzigen Gäste und Geld stinkt nur dann, wenn es in dem Klima zu faulen anfängt. Ich treffe auf die andere Jacqueline aus Kanada, die mir gleich Yoga-Stunden anbietet sogar für umme. Wir sagen nicht nein und als einziger Mann mit mehreren Frauen stretche ich mich in Positionen wie "Head-Hanging Dog", "Little Cobra" und "Flying Eagle". Besonders ungewohnt ist die Position in der man sich dem Universum öffnet, man liegt auf dem Rücken auf einem rechteckigen Holzklotz, die Arme auseinandergestreckt und die Füße mit angezogenen Knien ebenfalls gestreckt. Erinnert rein äußerlich an die Position der Maya-Opfer, kurz bevor der Priester ihnen das Herz rausschneidet. Aber man fühlt sich gedehnt und kann sich einreden, dass die Sonne nur deswegen rauskam, weil man die Sonnengrußübung gemacht hat.

Am Abend hat Thomas Geburtstag, es werden Kuchen und Luftballons organisiert, am wichtigsten natürlich Rum und Cola. Die gesamten alkoholischen Vorräte der Yogis werden ausgesoffen. Die schweizer Jacqueline beobachtet das Geschehen mit gemischten Gefühlen, die kanadische freut sich, dass hier endlich mal was los ist.

Tag 5: Wir werden von Brüllaffen geweckt. Ein Brüllaffe ist das lauteste Tier auf diesem Planeten (die Wale zählen nicht, weil sie die Geräusche über Wasser weitergeben). Ein Brüllaffe hört sich so an (vorher volle Lautstärke einschalten):

Nach ausgezeichnetem Frühstück ohne R&B, fahren wir zum Cahuita Nationalpark und wandern dort in Strandnähe im Wald.


Schlafende Baumviper


Blattameisen bei der Arbeit


Riesige Grille


Termitennest


Faultier


Brüllaffe


Aufgehende Kokosnuss

Uns wird die Noni-Frucht erklärt und schmackhaft gemacht. Wie alle eklig schmeckenden Früchte ist sie sehr gesund und sorgt für langes Leben.


Die Leute in Cahuita sind Nachfahren von Plantagenarbeitern, die aus Afrika und Karibikinseln geholt wurden, an zahlreichen Rastas sehen wir, dass sie ihre Wurzeln und ihr vereinfachtes Englisch-Creol pflegen.


Nachmittags Ausflug in eine Kakao-Plantage. Es regnet, dabei haben sich zwei Regenschutzstrategien etabliert, entweder man mummt sich ein in Regenhose, Regenjacke und Poncho, oder man ignoriert den Regen und läuft am besten barfuß, wie unser Guide.


Mahlen von Kakaobohnen


Erhitzen und Zusammenmischen


Fertig ist der Schokokuchen

Die Kakaofrucht wird aufgeschlagen, die Kakaobohnen rausgeholt und erstmal getrocknet. Nach einer Woche lässt man sie fermentieren, danach schält man sie und röstet. Hat man erstmal geröstete Bohnen (so wie ich welche mitgebracht habe), dann müssen sie gemahlen werden. Zu der fein gemahlenen Masse gibt man Puderzucker oder Melasse hinzu, Vanilleextrakt, Milchpulver und evtl. etwas Wasser. Durchkneten, auswalzen und fertig ist der Schokokuchen. Der Schokokuchen trieft von Fett, denn Kakaobohne besteht zur Hälfte aus Fett, während in der normalen Schokolade die Kakaobutter durch anderes Fett ersetzt worden ist.


Wenn die Schokolade falsch zubereitet wird, holt Dich der Schokoladenmonster

Abends wieder Partyversuch, Jacquelines verkaufen uns Mojitos mit Pfefferminze aus Teebeuteln. Nachdem die Musik immer lauter wird, platzt der Schweizerin der Kragen, sie beschimpft uns als "Brüllaffen nur lauter" und lässt die Party bald platzen.

Tag 6: Sabine hält in unserem Namen eine Dankesrede für die Gastfreundschaft, die die Besitzerin mit angesäuerter Miene akzeptiert. Wir steigen in den Bus und fahren in Richtung Norden zum Vulkan Arenal. Arenal ist ein recht junger Vulkan, die letzte Eruption fand im Oktober 2010 statt und der Aufstieg zum Krater ist nur für Vulkanologen erlaubt. Also wieder mal kein Lava zu sehen :-(.


Auf diesem Bild sind mind. zwei Leguane versteckt


Arenal in Wolken

Während der Fahrt werden die optionalen Aktivitäten durchgeplant, die man in der Gegend machen kann. Spätestens jetzt stellen wir fest, dass Costa Rica alles andere als günstiges Reiseland ist, sowohl was das Ausgehen als auch sportliche Aktivitäten angeht. Wir schieben es auf die Amerikaner, die mit ihren 10 Tagen Urlaub mehr Geld ausgeben müssen, als wir verwöhnte Europäer mit unseren 30 Tagen. Ausserdem habe ich zum ersten Mal das Gefühl dass das Bedienpersonal auf das Trinkgeld wirklich angewiesen ist und es nicht nur eine nette Geste ist. Wir entscheiden uns fürs Wandern.

Zum ersten Mal gibt es kostenloses Internet, was unsere Facebook-Junkies alles um sich herum vergessen lässt. Wir werden unseren Image als Stinkstiefel bewusst, als wir trotz Gemeinschaftsunterbringung doch zu zweit in einem Dreierzimmer unterkommen. Ausserdem werden wir Mitglieder in einem Lästerschwesterclub, der beim Abendessen über alle Geschehnisse des Tages und vor allem des Vorabends mit breitem Grinsen tuschelt (herzliche Grüße an Michaela und Vanessa ;-).

Tag 7: Auftritt Sergio, unserem Wanderguide. Sergio ist zumindest zur Hälfte ein echter Bribri-Indianer und hat mit Sabine Biologie studiert. Er hat als einziger Aussenstehender eine Lizenz zum Schildkrötenzeigen in Tortuguero, nur lässt er sich dort ungern blicken, seit er ein paar Einheimische verpfiffen hat, dass sie Schildkrötenfleisch essen und sie daraufhin ihre Lizenz verloren. Zur Zeit arbeitet er als Gepäckschlepper in unserem Hotel und sagt, dass er damit mehr verdient, als wenn er an einem biologischen Projekt oder als Reiseleiter arbeiten würde. Das Geld braucht er, um seine fünf Kinder (zwei davon in Deutschland) von vier Frauen zu besuchen. Die Frauen warfen ihm wohl vor, er wäre mit Meeresschildkröten verheiratet und nicht mit ihnen. Also nochmal zur Warnung, heiratet niemals einen Biologen!

Wir steigen mit Sergio zum Krater des benachbarten Vulkans Cerro Chatto. Angeblich wohnt ein Puma in der Gegend, Sabine verspricht uns umzubringen, wenn wir das Puma in freier Wildbahn sehen, sie hatte nämlich noch kein Glück. Unterwegs erklärt uns Sergio Pflanzen und Tiere, die wir sehen. Der Aufstieg ist recht steil, wir keuchen uns hoch. Plötzlich sehe ich eine mäandernde Bewegung, ich habe gerade noch Zeit "Schlange" zu brüllen und hochzuspringen. Vroni folgt meinem Beispiel und unter uns kriecht etwas grün-braunes ins Gebüsch. Sergio springt hinterher und kehrt bald mit einem Meter von Schlange zurück, die er am Kopf und am Schwanz festhält.




Angepisste Schlange in Angriffsstellung

Es stellt sich heraus, dass sie ungiftig ist, doch laut seinem Geständnis wußte er das noch nicht, als er sie packte. Noch zuvor erzählt er uns, dass er möglichst kein zweites Mal gebissen werden möchte, vom letzten Biss und vor allem vom Gegenmittel hat er immer noch Nervenschmerzen. Also nochmal, heiratet keinen Biologen!


Während der Mittagspause sehen wir einen Nasenbären, der zwar unsere Sandwiches möchte, aber sich nicht recht traut.



Kröte


Blindschleiche


Der Weg zum See im Krater wird immer schlammiger, so dass mir immer dieses Video in den Sinn kommt, mit dem man sich pusht, um weiterzukommen:

Wir springen in den kalten See und wandern erfrischt weiter zum Dschungel-Wasserfall in den wir auch noch reinspringen.





Und weil es so schön war, gehen wir abends in die Therme, das bis zu 45 Grad warmes Wasser wird vom Vulkan aufgewärmt, also sehr umweltfreundlich. Grundsätzlich ist Costa Rica aufgrund von Wasserkraft und Geothermie unabhängig bei der Energieerzeugung, nur mit der Energie für Fortbewegung hapert es noch.

Tag 7: Noch eine Wanderung durch Schilf und Lavafelder zum Arenal Stausee.


Wir steigen in den Bus und fahren zum Vulkan Tenorio.


Eine Kirche auf dem Weg zum Tenorio

Dort angekommen, machen wir eine Wanderung, bei der wir mehrere Hängebrücken überqueren müssen. Wackeln ganz schön, aber selbst für Leute mit Höhenangst überwindbar. Ich versuche Tiere mit allen Sinnen zu erspüren, aber keine Chance für eine Stadtratte wie mich.



Tenorio liegt an der Grenze zu Nicaragua. Für die ehemaligen Östlich-des-Eisernen-Vorhangs-Einwohner ist Nicaragua weit bekannter als Costa-Rica. Jeder hat in seiner Schulzeit bunte Stifte in die Schule gebracht, die dann für die armen Kinder von Nicaragua bestimmt waren. So unterstützten wir den Kampf von Sandinisten gegen die bösen Kontras. Nach dem Fall der Mauer wurde Nicaragua komplett vergessen, so dass keiner so genau sagen kann, wie der Konflikt nun ausgegangen ist. Ich vermute, dass das Land einfach ausblutete, keine der Seiten hat gewonnen und jetzt ist Nicaragua eins der ärmsten Länder der Welt. Die Nachbarschaft zum relativ reichen Costa-Rica führt dazu, dass sehr viele legale und illegale Einwanderer aus Nicaragua sich in Costa-Rica aufhalten und zu Dumpinglöhnen auf Bananenplantagen arbeiten. Trotzdem werden sie nicht von der Bevölkerung akzeptiert, obwohl kein Tico diese Arbeit machen möchte. Warum ist nun Costa-Rica reich, Nicaragua aber arm? Laut Sergio ist der Hauptunterschied, dass Costa-Ricaner schon 1949 ihre Armee abgeschafft haben und die freigewordenen Haushaltsmittel in Bildung investieren. Jedes kleine Dorf hat eine Schule, sehr viele junge Leute studieren. Die Regierung ist recht korruptionsarm, viele Skandale kommen durch die freie Presse auf die Oberfläche. Also eine glänzende Bestätigung der Theorie von Autoren von "Why Nations Fail", laut ihnen kommt es nur auf die Effektivität der Verwaltung und Freiheiten der Bürger an, ob eine Nation reich oder arm ist.

Die Übernachtung ist weniger spassig. Fette Spinne wartet auf mich nacht im Bad, eine versteckt sich im Duschkopf. Die Gegend ist reich an Moskitos und anderen Blutsaugern, viele werden zerstochen. Allerdings ist Gras in Costa-Rica nicht nur grüner, sondern auch stärker, was zum breiten Grinsen und Hunger nach Keksen bei einigen Mitreisenden führt. Die Witze erreichen das Niveau von "Woran erkennt man einen kurzsichtigen Gynäkologen?" "An der feuchten Nase".

Tag 8: Mit einem alten Schulbus, der in USA abgeschrieben worden ist und jetzt in Costa Rica seine Dienste tut, fahren wir zu Rio Celeste.


Eine sehr schöne Wanderung entlang des turkisenen Flusses.





Schwefelquelle


Fette Spinne, aber keine Vogelspinne

Die Farbe entsteht aus Schwefelverbindungen, es gibt auch heisse Quellen in denen allerdings die Marco Polo Teilnehmer möglichst nicht baden sollen, die Gefahr von Verbrühungen ist zu hoch. Andere Wanderer sehen das lockerer, latschen mit High Heels durch den Dschungel und springen in die Quellen.


Unterwegs nach Monteverde machen wir halt bei einem Lokal, dessen Besitzer Aras angefüttert hat, so dass sie immer wieder kommen. Wunderschöne Vögel, können sich erlauben alle Regenbogenfarben in ihrem Federnkleid zu haben, natürliche Feinde haben sie kaum. Wir kommen in Monteverde an, wo wir wieder freie Optionen zur Zeitverbringung haben.

Tag 9: Das größte Tier des Dschungels ist der Canopy-Fahrer. Hoch über den Baumgipfeln schwebt er mit lautem Surren in hoher Geschwindigkeit von Plattform zu Plattform und stößt dabei Brunftlaute wie "Geil", "Wow", "Pura Vida" und ähnliches aus. Auf besonders langen Strecken (bis zu einem Kilometer) wurde auch Pärchenbildung beobachtet, der männliche und die weibliche Canopy-Fahrer fahren gemeinsam, eine Fortpflanzung wurde allerdings noch nicht beobachtet. Ernähren tut sich der Canopy-Fahrer von Pommes und Pizza. Ansonsten stellt der Canopy-Fahrer keine Gefahr für andere Tiere oder Pflanzen dar.



Nach Canopy machen wir noch eine Wanderung durch den Urwald mit zahlreichen Hängebrücken. Gigantische Bäume wachsen in den Himmel, laut Sabine ist auf jedem mehr Pflanzen- und Tierarten zu finden, als die gesamte Flora und Fauna in Deutschland hergibt.

Nachmittag habe ich zur freien Verfügung, also mache ich alleine eine Wanderung zu einem Souvenierladen, wo man geröstete Kakaobohnen kaufen kann. Ich laufe eine staubige Piste entlang, schaue mir die einfachen Häuschen und die Leute an und fühle mich endlich in Mittelamerika verortet.

Durch Laufen und meinetwegen Fahrradfahren fühlt man sich viel unmittelbarer als Teil der Landschaft, als durch die Fenster einen vollklimatisierten Busses. Vollgepackt mit Kakaobohnen und anderen Mitbringseln mache ich mich auf den Rückweg und stolpere fast wieder über die Common Road Guard-Schlange, die sich aber schnell ins Gras zurückzieht.

Tag 10: Wieder in den Bus und ab geht's nach Samara, dem Badestrand. Doch zuvor noch ein Besuch bei einer Familie von Kaffeepflanzern.


Mariastatue der schon einige Wunderheilungen nachgesagt werden

Dort bekommen wir bestätigt, dass es für den Konsumenten kein Geschmakunterschied zwischen Bio und normalem Kaffee gibt, allerdings ist es ein riesiger Unterschied beim Aufwand gesunde, gut gedüngte Pflanzen mit oder ohne Chemie aufzuziehen.


Kasten für Düngerherstellung aus Würmerkot für Biokaffee

Biopflanzen müssen viel aufwändiger gedüngt werden, bei Pilzbekämpfung müssen verschiedene pflanzliche Mixturen ausprobiert werden, selbst das Vieh und die Waschmaschine müssen mit chemiefreien Erzeugnissen gefüttert werden, damit das Grundwasser nicht verschmutzt wird. Trotz diesen Aufwandes stellt der Kaffeebauer die Produktion auf Bio um, denn es ist eine Frage der Einstellung und der Liebe zur Natur. Denn der Chemiedünger wird aus dem Boden rausgewaschen, konzentriert sich in den Flüssen, wird ins Meer gespült und sorgt für Algenwachstum, die dann die Strände verschmutzen. Was bei uns für Verwunderung sorgt, dass der Kaffee in Costa-Rica teuerer ist als in Deutschland. Das zeigt die Einkaufsmacht von Tchibo&Co, die die Preise nach Belieben drücken können. Erst in der letzten Zeit gibt es StartUps, die die Einkaufsmacht der grossen Röstereien brechen möchten und eine lückenlose Kette zwischen der Plantage und dem Kaffeegeniesser herstellen.


Zuckerrohrpresse

Wir kommen in Samara an Pazifikküste an und laufen zum Strand. Sieht auf jeden Fall netter aus, als auf der Karibikseite, allerdings wieder hohe Wellen, in die man gut eintauchen kann, für Schwimmer und Massentourismus ist es eher nichts (ist auch besser so).




Strandhaus, flutwellensicher gebaut

Entsprechend ist Samara ein Paradies für Surfboys, die auf den Wellen ihre Kunststücke zeigen. Samara ist voll von deutschen Aussteigern, die Hotels, Restaurants oder sogar Flugschulen eröffnet haben und in der Fremde recht erfolgreich sind. Swiss-organized ist hier ein Gütesiegel.

Tag 11: Während der Rest der Gruppe in zerbrechlichen Nussschalen von einem Boot nach Delfinen Ausschau hält, versuche ich mich an Wellenreiten. Auftritt Didirien von C+C Surfschule. Gebürtiger Costa-Ricaner mit ausgezeichnetem Englisch (was eher eine Seltenheit in Costa-Rica ist, trotz der Menge an amerikanischen Touristen), ist eigentlich ein studierter Ingenieur für Lebensmittel, lebt schon seit fünf Jahren in Samara und surft solange er kann. Geldverdienen kann man später immer noch. Ich überlege kurz, wie man fünf Jahre Surfen in einem deutschen Lebenslauf verstecken kann, alleine mit Sprachschulbesuchen wird es schwierig. Anyway, wir bekommen eine Anleitung, wie man das Brett wachst, dann den Wachs kämmt, um die Oberfläche möglichst rutschfest zu machen, dann auf die Welle wartet, sich aufs Brett legt, mit der Welle zu paddeln beginnt und dann locker-flockig aufsteht und zu surfen anfängt. Klingt doch einfach? Auf einem grossen Brett habe ich es gerade mal geschafft aufzustehen, auf einem kleinen Brett hatte ich keine Chance. Das Brett fliegt weg, man bedeckt den Kopf mit den Händen und hofft, dass das eigene oder das fremde Brett einem nicht im Genick landet. Respekt vor den Surferboys, die scheinbar mühelos im Wellenkanal surfen, wächst minütlich. Immerhin verstehe ich, warum sie alle so knackige Bodies haben, Surfen ist verdammt anstrengend.

Tag 12: Nachdem ich in meiner Jugend viel A-Team angeschaut habe, konnte ich das Angebot nicht ausschlagen in einem ultraleicht Tragschrauber Platz zu nehmen und in die Lüfte zu steigen.



Tragschrauber braucht kurze Rollbahn zum Starten im Unterschied zum Helikopter




Hier kann man Krokodile sichten



Mel Gibsons Anwesen

Aus 300 Meter Höhe überfliegen wir das Anwesen von Mel Gibson, dem es angeblich ziemlich auf den Keks geht, aber er ist wohl gerade nicht da. Seine Zuckerrohrplantage zum Eigenverbrauch von Rum finde ich auch nicht. Wir fliegen ganz tief übers Meer, doch ich sehe die Rochen und Meeresschildkröten, die sich dort tummeln sollen zwar nicht, doch irgendwie geil ist es schon. Abends nochmal baden und ausspannen.


Und noch ein Leguan

Abschiedsessen, wir feiern Geburtstag von Sabine in einer Strandbar. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass die Musik, die dort gespielt genau dieselbe ist, wie in der russischen Disco Candy-Shop in München Optimolwerke, selbst die Übergänge sind gleich. Also, wer Sehnsucht nach Costa-Rica verspürt, nichts wie hin.

Tag 13: Jetzt heisst es Abschied nehmen von Samara, dem Ozean, den Wellen. Wieder in den Bus, Sabine legt meine CD von der Band La Solucion ein. Wer moderne Latino-Musik hören möchte, dem empfehle ich die Band Señor Coconut and his Orchestra.

Wir kommen nach San Jose, gehen noch was Essen und dann ins Bett.

Tag 14: Sabine umarmt jeden einzelnen von uns zum Abschied. Vier Schlangen (diesmal menschliche) und $28 Ausreisesteuer später, sind wir wieder in der Condor-Holzklasse. Im Flugzeug klingt "If you like Pina Colada". Als wir 15 Stunden und drei sehr dämliche Filme später in Frankfurt ankommen, ertönt das Lied wieder. "Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt" oder "Welcome into hard life" wäre meines Erachtens passender. Zerstochen, sonnenverbrannt, Hautabschürfungen an den Knien und Bauch vom AufdasBrettKlettern, müde aber glücklich versuche den Rest des Tages nicht einzuschlafen, um den Jet-Lag zu bekämpfen, klappt nur bedingt.

Fazit der Reise: Eigentlich ist es ganz schön bescheuert, mitten in Regenzeit in eins der regenreichsten Länder der Welt zu fahren, aber wir hatten mehr Glück als Verstand. Costa Rica ist ein faszinierendes Land mit wunderschönen, vielfältigen Natur. Herzlichsten Dank an unsere Reiseleiterin Sabine, an unseren etwas stillen Busfahrer und an die Gruppe, die diese Erlebnisse möglich gemacht haben. Hoffe Euch gefällt dieser Bericht.

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