Lissabon ist eine schöne Stadt. Das habe ich während einer Geschäftsreise festgestellt und deswegen war uns die Entscheidung Silvester in Lissabon zu feiern nicht besonders schwer gefallen. Aus der Altersgruppe fielen wir zwar langsam raus, aber wir haben trotzdem bei Marco Polo Young Line gebucht, damit sich jemand anderes um die Flüge, das Hotel und die Silvesterbespassung kümmert.
Ein paar Eindrücke von meinem ersten Besuch: - die U-Bahn streikt, es ist heiss, die Taxischlange ist eine Stunde lang, beim Versuch den Bus zu erreichen, schwitze ich mir innerhalb von wenigen Minuten alles durch, ich füge mich meinem Schicksal, nehme ein Taxi und verpasse den Konferenzauftritt von meinem Chef - beim Einsteigen in das Taxi hat man den Eindruck, man sei in Osteuropa, sowohl was die Preise, als auch die Sprache des Taxifahrer angeht. Erst nach längerem Hinhören realisiert man, dass es eine romanische Sprache mit vielen Zischlauten ist. Meine Großmutter behauptete mal, dass Portugiesisch die hässlichste Sprache Europas sei, da sie nie in Westeuropa (und erst recht nicht in Portugal) gewesen war, weiss ich nicht, worauf sich ihre Behauptung stützte, aber die Sprache ist wirklich gewöhnungsbedürftig - sehr viele Gebäude in der Stadt sind mit Kacheln verkleidet, mit farbenfrohen und sehr schönen Mustern - die Stadt ist sehr hügelig und liegt (wie sollte es anders sein) auf sieben Hügeln - das schönste Hotel, das ich je gesehen habe ist Pestana Palace in Belem. Ein ehemaliges Schloss mit wunderschönen Zimmern, riesigem Garten, köstlichem Essen, kann ich nur empfehlen - die Pasteis de Belem sind köstlich - viele Mädchen sehen aus wie Nelly Furtado
Tag 1: Verglichen mit dem letzten Mal, als das Flugzeug erst beim zweiten Mal aufsetzen konnte und deswegen etwas nervöse Ruhe im Flugzeug herrschte, kamen wir recht ereignislos an, kämpften etwas mit dem Ticketsystem des lissabonischen ÖPNV und erreichten problemlos unser Hotel. Das Treffen mit dem Rest der Gruppe ist erst für den Abend angesetzt, deswegen fahren wir mit der S-Bahn an Benfica vorbei nach Sintra. Sintra hat mehrere Paläste, als erstes kommt man zum Palácio Nacional de Sintra das durch zwei kegelförmige Schornsteine unverkennbar ist.
König Manuel I (1469-1521) hat einen eigenen Baustil geschaffen, die Manuelinik, dieser Stil wird uns noch später begegnen. Beeindruckend sind die Holzdecken und die Kachelverkleidung.
Die Amseln halten in den Schnäbeln den königlichen Ausspruch "Por Bem" („Für Gut“), also die Abwandlung des Wowereitschem „und das ist gut so“, die Legende besagt nämlich, dass der König von seiner Ehefrau mal in flagranti erwischt wurde und der einzige Spruch, der ihm dazu einfiel war „Por Bem“.
Das nächste Schloss ist etwas für die Neuschwanstein-Liebhaber. Jemand, der denkt, dass Ludwig II von Bayern größenwahnsinnig war, hat noch nicht das Werk von Ferdinand II von Portugal gesehen, Palácio Nacional da Pena, das so ziemlich alle Stile vereint: vom Maurenstil über die Gotik, die Renaissance bis zu Barock und Rokoko.
Der Innenhof ist mit Kacheln ausgekleidet und muss im Sommer schön kühl sein.
Rund um das Palácio ist ein Riesengarten im englischen Stil angelegt, mit vielen Felsen und Grotten. In einiger Entfernung des Schlosses befindet sich ein elegantes Holzchalet, wo Elise Friederike Hensler besser bekannt als Countess of Edla wohnte.
Die Geschichte ist mehr als romantisch: Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau, verliebt sich Ferdinand II. in die Opernsängerin und heiratet sie, womit er den Anspruch auf die spanische Krone verliert. Der portugiesische Adel ist "not amused" und als Ferdinand stirbt und ihr das Schloss überlässt, muss sie auf Druck der königlichen Verwandtschaft und des portugiesischen Staates aus dem Schloss ausziehen und lebt eine Weile in dem Holzhaus. Das Chalet ist vor ein paar Jahren abgebrannt, wurde aber vollständig renoviert.
Auf dem Weg zurück zum Bahnhof sehen wir noch einige wunderschöne Keramiken.
Im Hotel treffen wir auf die Reisegruppe und die Reiseleiterin Sara, die uns nüchtern und kompetent einen „Kleinen Sprachkurs Portugiesisch“ mit Lautschrift verteilt (Kostprobe: [umng billjet, se fasch fawohr]) und ins Biermuseum begleitet. Dort lernen wir, wo man sonst noch Portugiesisch spricht und Bier braut, nämlich in Brasilien, São Tomé und Príncipe, Angola, Äquatorialguinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Mosambik und Osttimor (ok, Bier aus Osttimor gibt es nicht).
Tag 2: Sara erzählt uns die Eckpunkte der portugiesischen Geschichte. Sie berichtet vom Verschwinden von Sebastião, dem portugiesischen König, der 1578 chancenlos Marokko zu erobern versuchte, und wahrscheinlich in der Schlacht gefallen ist, ohne Erben zu hinterlassen.
Deswegen fiel die portugiesische Krone an die Spanier und den Portugiesen blieb nur die Hoffnung übrig, dass Sebastião zurückkehren könnte, um wieder auf den Thron zu steigen. Auch als die Spanier seine angebliche Leiche zurückbrachten und im Jeronimos Kloster in Belém begruben, blieben viele Portugiesen der festen Überzeugung, dass O Desejado (der Erwartete/Erwünschte) doch noch zurückkommt. Diese Haltung nennt man sogar Sebastianismus, laut Sara ist in der jetzigen Wirtschaftskrise (Portugal ist das P in PIGS-Staaten) der Glaube verbreitet, dass jemand kommen und Portugal retten wird. Ein anderes schwerwiegendes Ereignis war das Erdbeben von Lissabon 1755, als 85% von Lissabon zerstört wurden. Zehntausende Menschen kamen entweder im Beben selbst, oder bei der nachfolgenden Flutwelle um. Der Vorwurf es handle sich um eine Strafe Gottes, konnte damit widerlegt werden, dass fast alle Kirchen kaputt gegangen waren, während das Rotlichtviertel Alfama verschont blieb. Der Held der Stunde hieß Marquês de Pombal, der trotz seines Postens als Außenminister den Wiederaufbau der Stadt organisierte, und dem das heutige Lissabon sein Stadtbild verdankt.
Der Hauptplatz der Stadt Praça do Comércio ist nach 1755 komplett neu gebaut worden.
Praça do Comércio liegt übrigens am Tejo, dem breiten Fluss, über den die Brücke des 25. April, die im Stil der Golden Gate Bridge in San Francisco gebaut wurde, führt.
Womit wir beim dritten bedeutenden Ereignis wären, der Nelkenrevolution, als am 25. April 1974 die Portugiesen die Diktatur stürzten. Der bekannteste portugiesische Diktator war Salazar, der den Umsturz allerdings nicht mehr erlebte. Salazar kann man anrechnen, dass er sich mit dem nationalsozialistischen Deutschland nicht wirklich verbündete, so dass der Hafen von Lissabon eine der letzten Möglichkeiten blieb, Europa zu verlassen. Allerdings war jede freie Meinungsäußerung in seinem Staat verboten, die Kritiker wurden gezwungen das Land zu verlassen oder wurden getötet. Die Modernisierung des Staates wurde behindert, viele Bevölkerungsschichten blieben Analphabeten. Am 25. April spielte das Radio das verbotene Lied Grândola, Vila Morena als verabredetes Zeichen und der Aufstand brach aus. Es gab vier Tote, aber sonst brach die Diktatur in sich zusammen und seitdem ist Portugal eine Demokratie. Sara meint, dass sich die Portugiesen immer etwas am Rande von Europa fühlen, deswegen haben sie nichts dagegen Flüchtlinge aufzunehmen, um dazuzugehören. Eine sehr löbliche Haltung!
Wie schon erwähnt ist Lissabon eine sehr hügelige Stadt, deswegen gibt es dort sogar Fahrstühle, die die Stadtviertel miteinander verbinden.
Es gibt auch Standseilbahnen und sehr schnuckelige Strassenbahnen, die hauptsächlich Touristen spazierenfahren.
Die Plätze mit Aussicht nennt man Miradours, wir besuchen ein paar von ihnen. Die Stadt hat zwei Schutzheilige, den offiziellen São Vicente und den inoffiziellen und weitaus beliebteren Heiligen Antonius von Padua.
Und noch ein heiliger Christopherus
Was ebenfalls beliebt ist, ist der Fado, traurige portugiesische Musik, normalerweise von einer Sängerin gesungen, die von einem Gitarristen begleitet wird.
Die berühmteste Fado-Sängerin war Maria Severa, ihr zu Ehren tragen die Fado-Sängerinnen (Fadistas) ein schwarzes Tuch um die Schultern. Ebenfalls ein berühmter Sohn der Stadt ist Jose Saramago, der ein Nobelpreis in Literatur bekommen hat, in dem stacheligen Gebäude befindet sich die Saramago-Stiftung.
Nach der langen Führung bekommen wir ein Bifana, also ein Brötchen mit Schnitzel und fahren dann zum Gulbenkian Museum. Calouste Gulbenkian wurde unter dem Spitznamen „Mister 5%“ bekannt, denn er hatte sehr gute Beziehungen in Russland und Nahem Osten und immer wenn er als Vermittler bei Ölgeschäften eingesetzt wurde, forderte er 5% Anteil an den Geschäften. Dadurch wurde er unermesslich reich und konnte seinem Hobby nachgehen, dem Sammeln von Kunstgegenständen. Dabei spielte der Stil kaum eine Rolle, in der Sammlung finden sich altägyptische Kunstwerke, europäische Kunst aus dem Mittelalter,und sogar französischen Impressionisten.
Da Gubenkian die britische Staatsbürgerschaft hatte, musste er während der Nazi-Zeit aus Paris fliehen und brachte die Sammlung nach Portugal, wo er auch bis zu seinem Tod lebte. Die Stiftung Gubenkian ist die bedeutendste Kunstförderin in Portugal.
Abends gehen wir in ein "Schickimicki"-Restaurant, das mit dem Ansturm der Silvester-Gäste kaum fertig wird, deswegen müssen wir nach dem Essen sehr schnell zur Praça do Comércio rennen, um das Feuerwerk noch zu sehen.
Auf der Bühne tritt Richie Campbell auf, Reggae-Stimmung auf der Bühne, überall riecht man Gras, meine Perücke wird über Gebühr beachtet.
Tag 3: Wir stehen erstaunlich früh auf und fahren nach Cascais (ausgesprochen Kaschkasch). Cascais liegt direkt am atlantischen Ozean, so dass die Lissaboner dort gerne im Sommer der Hitze entfliehen.
Fast noch bekannter ist Estoril, auch ein Badeort mit einem Casino, das angeblich Ian Flemming als Vorbild für sein ersten James Bond Roman Casino Royal diente.
Das Wetter ist nicht wirklich gut, aber es ist warm genug, um ins Wasser zu springen und das neue Jahr einzuweihen.
Wir fahren zurück und gehen auf das Expo-1998-Gelände ins Ozeanarium, das das zweitgrößte der Welt sein soll. Nicht von der riesigen Schlange abschrecken lassen, in 45 Minuten waren wir drin. Rund um den größten Wassertank mit den Haien, Mondfischen, Mantas und sonstigen beeindruckenden Fischen, gibt es vier Klimazonen mit typischen Flora und Faunavertretern, wie Pinguine in der Antarktis, Fischotter im Pazifik und Papageientaucher im Nordatlantik.
Der Mondfisch wiegt bis zu 1.5 Tonnen
Abends gehen wir in eine Bar und betrinken uns mit Ginjinha, einem Kirschlikör, der von einem geschäftstüchtigen Mönch entwickelt wurde, der nach dem kommerziellen Erfolg seines Getränks, seine Mönchskutte an den Nagel hängte, um sich voll und ganz um Produktion und Marketing kümmern zu können. Wie man auf dem Plakat sieht, wirkt ein Gläschen Ginjinha ungleich anregender als Kaffee.
Tag 4: Wir schwingen uns auf die Fahrräder und fahren entspannt den Tejo entlang nach Belém.
Zuerst machen wir am Rossio Platz halt, um eine Domenikanerkirche zu besichtigen, in der 1506 ein fürchterliches Massaker an getauften Juden (Neuchristen) verübt wurde. Die Legende besagt, dass während des Osterfestes ein Lichtstrahl durchs Fenster auf das Kruzifix fiel, was als Wunder interpretiert wurde. Ein Neuchrist wandte ein, dass es nur ein Sonnenstrahl sei, wobei er sogleich der Häresie beschuldigt und getötet wurde. In den nachfolgenden Tagen wurden über 2000 Menschen abgeschlachtet, bis der König in die Stadt zurückkehrte und einschritt. Die Kirche selbst wurde bei einem Brand schwer beschädigt und in diesem Zustand gelassen, zur Erinnerung und Mahnung.
Vorbei an der Brücke des 25. April kommen wir an das Denkmal für die Seefahrer, vor allem für den Vasco da Gama, der den Seeweg um das Kap der Guten Hoffnung nach Indien entdeckte und somit die Vorherrschaft von Portugal beim lukrativen Gewürzhandel sicherte.
Der erste Mann ist Heinrich der Seefahrer, ein Prinz, der die zahlreichen Entdeckungsfahrten initiierte, selbst aber nicht zur See fuhr.
Gleich daneben steht das im manuelinischen Stil erbaute Torre de Belém, ein Leucht- und Festungsturm, der viel zu filigran für eine kriegerische Auseinandersetzung aussieht.
In Belém befindet sich auch das Hieronymitenkloster, auch im manuelinischen Stil erbaut. Dort sind zahlreiche portugiesische Könige, aber auch Vasco da Gama beerdigt. Besuchenswert ist der Kreuzgang.
Sehr bekannt ist die Casa Pastéis de Belém, ein großes Café, in dem die Pastel de Nata, kleine Törtchen aus Blätterteig verkauft werden. Geheimtipp: Nicht vorne Pastels zum Mitnehmen kaufen, sondern ins Gebäude reingehen, nach ein paar Minuten bekommt man garantiert einen Platz.
Auf dem Weg zurück zum Hotel schauen wir noch im Museu Nacional de Arte Antiga vorbei, um ein Hieronymus Bosch Gemälde zu bewundern.
Tag 5: Das Wetter ist schlecht, wir nehmen die Standseilbahn und fahren hoch zu einem Miradour, um uns Lissabon von oben anzuschauen.
Danach wieder runter, rein in die Schlange für die Tramlinie 28, die uns durch die ganze Stadt fährt, an den gekachelten Gebäuden vorbei, die Hügel hoch- und runter.
Voll mit Eindrücken von der wunderschönen Stadt, fliegen wir zurück nach Deutschland.